Vor einigen Jahren habe ich dieses Buch gelesen. Nur zu zweidritteln, da ich es ausgeliehen hatte und bereits nach zwei Tage die Frage kam, wann ich denn das Buch zurückgeben würde. Am fünften Tag gab ich es zurück, aber eben nicht ganz fertig. Ich war aber so angetan vom Text, dass ich es mir dann bestellte. Unachtsam, schnell zwischendrin und es war dann das Hörbuch. Ich höre keine Hörbücher! Drei Versuche startete ich, das Buch anzuhören, dreimal schlief ich bei der angenehmen Stimme von Dietmar Bär ein. So lag die CD hier ewig herum.
Dann kam die Leipziger Buchmesse, ich wollte mit dem Zug hinfahren, hatte mir auch schon Bücher für die Fahrt rausgesucht. Doch der Bahn-Streik machte die Reise unplanbar, weshalb ich auf das Auto umgestiegen bin. So ein Mist, das hat mir meine ganze Ökobilanz versaut und meine Jahresfahrleistung vervierfacht.
Die Bücher fielen ja nun auch aus. So packte ich das Hörbuch ein. Und das war gut. Einmal quer durch Deutschland mit David Foster Wallace, noch nie bin ich so gut gelaunt und entspannt Auto gefahren.
Um was geht es in diesem Buch, das als Reisebericht für Harper’s Magazine vor gut 25 Jahren geschrieben wurde? Eine Karibik-Kreuzfahrt. Und über die berichtet, nein erzählt Foster Wallace in einmaliger Weise. Sein Blick für die Widersinnigkeit solcher Massenveranstaltungen kapitalistischer Vergnügungsindustrie ist wirklich unvergleichbar. David Foster Wallace ist ein außergewöhnlicher Beobachter menschlicher Verhaltensweisen – in Gruppen oder auch einzeln. Ihm fällt jede Absurdität im Konsumverhalten auf, die anderen Beobachtern verborgen bleiben. Foster Wallace hat eine außergewöhnlich extensive Wahrnehmung der Gesellschaft, was auch hier wieder deutlich wird. Die nur 183 Seiten strotzen von Humor, Sarkasmus bis hin zum Zynismus und doch schwingt oft auch Melancholie mit, in Ansätzen ist die Todessehnsucht des Autors zu erahnen.
Bei dem vielen Humor muss ich unbedingt darauf hinweisen: Das ist keine Komödie, sondern intelligent geschriebene Unterhaltung, bei der ich oft schmunzeln musste. Doch ich bekam auch unglaublich viele Impulse mein eigenes Verhalten zu reflektieren – auch wenn ich keine Kreuzfahrten mache. Nach diesem Buch sowieso nicht mehr.
Die Sprache ist, wie bei Foster Wallace üblich, klar, seine Bildsprache ist außergewöhnlich. Selbst seine Gedanken zur »Unterdruck-Abwassersystem« des Luxusliners sind amüsant zu lesen. Sogar die wirklich vielen Fußnoten stören nicht, nein, sie sind ein, in diesem Fall, brillantes Stilmittel – und ich kann Fußnoten in Belletristik eigentlich nicht leiden.
Dies war nicht mein erster Foster Wallace, ich glaube aber, dass er zum Einstieg in das Werk dieses wahrhaft genialen Autors bestens geeignet ist, da er »massenkompatibler« als manche seiner anderen Werke ist. Es lohnt sich auf jeden Fall, sich mit diesem Ausnahmeautor zu beschäftigen, der leider nicht mehr lebt. 2008 starb er an den Folgen seiner schweren Depression, durch Suizid.
Ich habe mir das Buch dann sofort nochmal besorgt, als ich aus Leipzig zurück war. Das muss einfach in meinem Regal stehen. Ach ja, und eingeschlafen bin ich auf der Fahrt auch nicht.
Klappentext:
Eine Luxuskreuzfahrt in der Karibik – David Foster Wallace hat das Experiment gewagt und sich an Bord der Zenith begeben. Eine Woche lang hat er alles mitgemacht, was das Bordleben für den erholungsbedürftigen Urlauber bereithält – von der Singleparty, zu der nur Paare kommen, bis hin zum Tontaubenschießen. »Ich habe erwachsene US-Bürger gehört, erfolgreiche Geschäftsleute, die am Info-Counter wissen wollten, ob man beim Schnorcheln nass wird, ob das Tontaubenschießen im Freien stattfindet, ob die Crew an Bord schläft oder um welche Zeit das Midnight-Buffet eröffnet wird.«
»Bestes Animationsprogramm« Brigitte
»Ein Meisterstück der literarischen Reportage, bis ins kleinste nautische und gruppenpsychologische Detail recherchiert« FAZ
Bibliografische Angaben:
ISBN: 978-3-4620-4820-9
Verlag: KiWi-Taschenbuch
Erscheinungsjahr: 12. November 2015
Seiten: 176, Taschenbuch
Daten Hörbuch:
ISBN: 978-3-86717861-7
Verlag: Der Hörverlag, Mai 2012
ungekürzte Lesung
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