Gefühlt bin ich wohl die letzte, die das so gehypte Buch nun endlich gelesen hat. Aber für alle, die es noch immer nicht kennen, hier eine ganz kurze Zusammenfassung.
Mit 10 Jahren bekommt Doris von ihrem Vater ein rotes Adressbuch geschenkt, in das sie alle Menschen einträgt, die in ihrem Leben wichtig waren. Jetzt steht hinter den meisten durchgestrichenen Namen das Wort TOT.
Die heute 96-jährige lebt noch in ihrer eigenen Wohnung in Schweden, ist aber auf die Hilfe von Pflegerinnen angewiesen, die mit Kleinigkeiten ihre Ordnung durcheinanderbringen. Eine handbemalte Tasse landet im Spüler, die Lupe liegt nicht im richtigen Winkel und die Wäsche wird nur schlampig zusammengefaltet. Und zuhören können sie alle nicht mehr. Ich muss sagen, dass mir dieser Teil der Geschichte am besten gefallen hat, weil ich die Not und Einsamkeit der alten Dame wirklich spüren konnte.
Der Laptop ist Doris’ Verbindung zu Jenny, die mit ihrer Familie in den USA lebt, mit ihr skypet sie ein Mal in der Woche. Und am Laptop schreibt sie über die Menschen, die Teil ihres Lebens waren. Wir lernen Gösta, den melancholischen Freund und Maler kennen. Dominique, die Frau, für die sie als Dienstmädchen gearbeitet hat und mit der sie nach Paris ging. Nora, das schönste Mannequin, der sie gute Jobs bei Chanel verdankt. Und Allen, den Mann mit den ausgetretenen Schuhen und dem zu großen Anzug, der die große Liebe ihres Lebens wird.
Lundberg erzählt uns die berührende Geschichte auf zwei Zeitebenen, in der sich Doris’ früherer Leben mit der Gegenwart abwechseln. Puzzelartig setzt sich so langsam ein Bild von einem Leben mit vielen Entbehrungen und einer unerfüllten Liebe zusammen. Alle Fragmente ergeben am Ende ein sehr stimmiges Bild von Doris als starke Frau, die sich von allen Widrigkeiten im Leben nicht hat unterkriegen lassen.
Ich denke, folgendes Zitat aus dem Buch fasst alles perfekt zusammen. Es sind die Worte ihrer Mutter, als sich Doris von ihr verabschiedet.
»Ich wünsche dir, von allem genug. Genug Sonne, die Licht in deine Tage bringt, genug Regen, damit du die Sonne schätzen kannst, genug Glück, das deine Seele stärkt, genug Schmerz, damit du auch die kleinen Freuden des Lebens genießen kannst und genug Begegnungen, damit du die Abschiede besser verkraften kannst!« S.46
Und Doris hatte von allem genug in ihren fast hundert Jahren.
Leider muss ich auch einige Abstriche machen. Doris wird bei allen Schicksalsschlägen, die sie durchmachen muss, immer noch eins draufgesetzt, das war mir etwas zu übertrieben. Und das Ende war mir dann doch zu kitschig, zu gewollt.
Für diese theatralischen Lebens- und Liebesgeschichten bin ich einfach nicht empfänglich. Wer das aber mag, wird hier eine sehr gefühlvolle Story mit tollen Charakteren kriegen. Deshalb geht auch an all die meine Empfehlung, für mich war es eine Erfahrung wert.
Klappentext
Doris wächst in einfachen Verhältnissen im Stockholm der Zwanzigerjahre auf. Als sie zehn Jahre alt wird, macht ihr Vater ihr ein besonderes Geschenk: ein rotes Adressbuch, in dem sie all die Menschen verewigen soll, die ihr etwas bedeuten. Jahrzehnte später hütet Doris das kleine Buch noch immer wie einen Schatz. Und eines Tages beschließt sie, anhand der Einträge ihre Geschichte niederzuschreiben. So reist sie zurück in ihr bewegtes Leben, quer über Ozeane und Kontinente, vom mondänen Paris der Dreißigerjahre nach New York und England – zurück nach Schweden und zu dem Mann, den sie einst verlor, aber nie vergessen konnte.
Bibliografische Angaben
ISBN: 978-3-442-48981-7
Verlag: Goldmann Verlag
Erscheinungsjahr: 9. Auflage 2019
Übersetzung: Kerstin Schöps
Seiten: 349, Taschenbuch
Über die Autorin
Sofia Lundberg wurde 1974 geboren und arbeitete als Journalistin in Stockholm, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Büchern widmete. Mit ihrem Debütroman »Das rote Adressbuch« eroberte sie die schwedische Literatur- und Bloggerszene im Sturm, woraufhin die Rechte in über 30 Länder verkauft wurden.
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