„Der perfekte Faschist“ von Victoria de Grazia

Werbung. Herzlichen Dank an den Wagenbach Verlag für das Rezensionsexemplar.

Victoria de Grazias »Der perfekte Faschist« ist eine eindrucksvolle und tiefgehende Betrachtung der turbulenten Ära des italienischen Faschismus. Im Zentrum der Erzählung stehen der Faschist Attilio Teruzzi und seine amerikanische Ehefrau Lilliana Weinman, bei deren Hochzeit Mussolini höchstpersönlich Trauzeuge war. Lilliana, eine gefeierte Opernsängerin und aus einer jüdischen Familie stammend, ist eine unabhängige Frau und schon bald fühlt sich Attilio in seiner Ehre verletzt und möchte sich scheiden lassen. Das will weder seine Frau, noch die Kirche, die damals dabei noch mitzureden hatte. Der Antisemitismus in Italien verstärkt sich und seine Ehe mit einer Jüdin wird zum Karrierehemmnis …
Das klingt doch nach einem interessanten Plot. Ist es aber nicht, es ist eine Biografie. Die Autorin ist eine renommierte Historikerin, die Teruzzis Lebensweg mit historischer Genauigkeit nachzeichnet, wobei sie meisterhaft die persönlichen Schicksale mit den politischen Strömungen im Italien der 1920er-Jahre verwebt. Die Autorin schafft es, ein vielschichtiges Porträt des italienischen Faschismus zu zeichnen.

Was dieses Buch besonders herausragend macht, ist de Grazias Fähigkeit, die intime Welt einer Ehe, die zwischen Liebe, Macht und ideologischem Druck zerrieben wird, in den größeren Kontext des historischen Geschehens einzubetten. Ihre Darstellung zeigt sie als großartige Erzählerin und gewissenhafte Historikerin, die eine tiefe analytische Schärfe besitzt. Diese Schärfe zieht sich durch die gesamte Erzählung und macht das Buch nicht nur historisch präzise, sondern auch emotional packend.
Im literarischen und wissenschaftlichen Kontext ist »Der perfekte Faschist« sowohl als historische Biografie als auch als eine Studie über menschliche Moral in Zeiten extremer politischer Herausforderungen zu sehen. De Grazia schlägt eine Brücke zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart, was das Buch besonders relevant macht, da es an die Bedeutung demokratischer Werte erinnert, gerade in einer Zeit, in der autoritäre Tendenzen wieder an Auftrieb gewinnen.

Die Sprache des Buches ist ein wahres Vergnügen: anschaulich und mitreißend, ohne dabei auf die Präzision eines guten Sachbuchs zu verzichten. Diese Kombination aus lebendiger Erzählweise und fundierten Fakten macht das Buch lebendig und jedermensch zugänglich. De Grazia gelingt es, mit ihrer facettenreichen und detailverliebten, aber dennoch klaren und verständlichen Sprache, den Leser in die Epoche des italienischen Faschismus zu entführen und die vielschichtigen politischen und gesellschaftlichen Konstellationen dieser Zeit zu dechiffrieren.
In einer Zeit, in der die Schatten der Vergangenheit sich auf das Heute zu legen scheinen und die Diskurse um Machtmissbrauch, autoritäre Regime und die Rolle der Einzelnen in solchen Systemen erneut an Aktualität gewinnen, ist dieses Buch ein warnendes, aufklärendes Signal. De Grazias scharfsinnige Analyse der historischen Ereignisse und ihre Auswirkungen auf individuelle Schicksale machen die Lektüre zu einem Muss für alle, die verstehen möchten, wie die persönliche Ebene untrennbar mit dem politischen Überbau verwoben ist.

Fazit
Victoria de Grazia hat mit diesem Buch ein Meisterstück abgeliefert, das sowohl Historiker als auch Laien in seinen Bann ziehen wird. Ihre akribische Forschung und erzählerische Brillanz machen das Buch zu einem wichtigen Beitrag der historischen Literatur über den italienischen Faschismus und zur Reflexion über die menschliche Natur in Zeiten politischer Extreme.

Klappentext

Das Private ist politisch, erst recht in der Diktatur. Der italienische Faschismus, auf vollkommen neue Weise erzählt als umfassende Kulturrevolution – abenteuerlich, verblüffend grotesk und erschreckend gegenwartsnah: Im Juni 1926 war Rom Schauplatz eines spektakulären gesellschaftlichen Ereignisses. Gefeiert wurde eine »faschistische Hochzeit«, Trauzeuge Mussolini inklusive. Vor den Altar traten Lilliana Weinman, gefeierte amerikanische Opernsängerin aus einer jüdischen Industriellenfamilie, und Attilio Teruzzi, hochdekorierter Kriegsveteran, Teilnehmer beim Marsch auf Rom, mitleidloser Anführer der Schwarzhemden und Archetyp des »neuen starken Mannes«. Aber bald schon fühlte sich der virile Gatte von der Unabhängigkeit seiner Frau in der Ehre verletzt und forderte die Scheidung – nur dachten seine Frau und die katholische Kirche gar nicht daran, dem zuzustimmen. Die Zwangsehe wird für den Aufsteiger Teruzzi zusehends zum Problem, kündigen sich am Horizont doch die ersten antisemitischen Gesetze des faschistischen Staates an. Mit Seitenblicken auf Literatur, Mode, Stadtwelten und Liebesverhältnisse entfaltet die renommierte Historikerin Victoria de Grazia ein opulentes, fesselnd erzähltes Gesellschaftsepos, das das kulturelle Klima der Epoche greifbar werden lässt. Sie zeigt, wie Mussolinis Bewegung ihre Revolution bis in die zwischenmenschlichen Beziehungen forcierte. Und sie macht die Bedingungen für Aufstieg und Fall des »perfekten Faschisten« anschaulich: die Entwicklung eines Mannes des Mittelmaßes in einer Zeit der Extreme.

Über die Autorin

Victoria de Grazia ist Professorin Emerita für Geschichte an der Columbia University in New York und eine der international profiliertesten Forscherinnen zur Analyse von Soft Power in autoritären Systemen sowie zur Gender- und Arbeitergeschichte. Die Themen ihrer Bücher reichen von den Überzeugungsmechanismen des Faschismus bis hin zur Anziehungskraft der US-amerikanischen Konsumgesellschaft.

Bibliografische Angaben

ISBN: 978-3-8031-3739-5
Verlag: Wagenbach Verlag
Erscheinungsdatum: 14.3.2024
Seiten: 512, Hardcover

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"Es gibt nur einen Weg, um Kritik zu vermeiden: Nichts tun, nichts sagen, nichts sein" Aristoteles

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