UM JEDEN PREIS – Maximilian Ferreira Cress & Bernd Blaschke

Die junge, unbedarfte Journalistin Michelle will ihrem Kollegen Hamza nicht glauben, als dieser ihr sagt, er sei einer rechtsradikalen Zelle in der Hamburger Polizei auf der Spur. Wenig später wird er angeschossen und Michelle, die eigentlich an ihrem Traumprojekt – ein Buch über einflussreiche Frauen in Deutschland – arbeitet, beginnt auf eigene Faust zu ermitteln und stößt auf ein weit verzweigtes Netz aus Korruption, Rechtsextremismus und Kriminalität.

Das hätte thematisch MEIN Thriller werden können. Hätte. Leider – und hier kommt gleich mein Fazit – leider hat mich das Buch sehr enttäuscht. Warum?

Zum einen klingt hier alles nach einem Drehbuch für einen schlechten Tatort. Was in einem Film funktioniert, weil die Szenen in kurzen Sequenzen folgen, wirkt hier steif und konstruiert und leider wenig glaubhaft. Es wird viel behauptet, wenig gezeigt, sodass die Figuren, allen voran Michelle, nur vorgeführt werden. Sie kam mir reichlich naiv vor. Weiß eine Journalistin wirklich nicht, dass Polizisten, die aus dem Dienst ausgeschieden sind, oft als Personenschützer arbeiten? Oder soll ich mich als Leserin darüber wundern? Und echt, ich kann in einem heimlich gedrehten Video die Seriennummer auf einem Gewehr erkennen? Oder sie wundert sich, dass sie keine Auskunft über eine Person bei einer Zeitarbeitsfirma bekommt, nur weil sie sagt, sie sei von der Presse. Ja, wir haben Datenschutz und das wissen auch die Leser*innen. (Nur ein paar von vielen Beispielen, wo ich nur mit dem Kopf geschüttelt habe.) Und warum wird von ihr behauptet, sie sei eine linke Journalistin? Ich konnte keinerlei Anhaltspunkte dafür finden. Überhaupt spielen die Autoren hier mit Klischees. Volkslieder singende Rechte auf einem Sommerfest, die ewig blaue Krawatte, die Mütter ihren Anwaltssöhnen schenken. Leider schon so verbraucht, dass ich nicht mal ein müdes Lächeln dafür übrig hatte.

Immer wieder lege ich das Buch weg, weil noch ne Baustelle aufgemacht wird, noch ein neues Thema, das sicherlich brisant ist, aber es fehlt durchweg an der nötigen Tiefe. Es beginnt beim Völkermord an den Herero und reicht bis zu Scheinfirmen auf den Bahamas. Shitstorms auf Social Media, Verschwörungstheorien, illegaler Waffenhandel, und und und.
Hinweise werden so subtil platziert wie ein Elefant in einem Vorgarten, dass eigentlich jede Wendung, wenn sie mal nicht konstruiert war, vorhersehbar wurde. (Ohne Beispiel, weil ich nicht spoilern will.) Sämtliche Figuren bleiben blass und unterentwickelt, ihre Handlungen sind teil so hanebüchen, dass ich echt keinen Spaß hatte und kurz vor Ende abgebrochen habe.
Mein Eindruck: Man wollte hier »um jeden Preis« einen gesellschaftlich hochaktuellen Thriller schreiben, was gründlich in die Hose ging. Ich vergebe einen Stern für ein wirklich tolles Cover und einen für die gute Idee, mehr ist leider nicht drin.
Ach ja, noch ein Hinweis. Falls ihr mal einen Hang in Hamburg runterpurzelt und spürt, wie Moskitos in die offene Wunde stechen, euch alle Knochen wehtun, dann lasst euch bitte nicht von eurem Freund zwei 800er Ibuprofen plus eine Novalgin geben, ihr könntet einen Leberschaden davontragen.

Dennoch vielen Dank an Atrium Verlag für das Reziexemplar, das ich auf der Messe mitnehmen durfte.

Avatar-Foto
Über ein.lesewesen 311 Artikel
Es kommt darauf an, einem Buch im richtigen Augenblick zu begegnen. Hans Derendinger

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*