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Ein unspektakulärer Tag im Büro geht für Cathal zu Ende. Dabei hätte es der Tag seiner Hochzeit mit Sabine sein sollen. Kurz habe ich überlegt, ob ich ihn bemitleiden sollte, doch schon auf der Heimfahrt im Bus, als ihn eine Frau anspricht, nett sein will, zeigt er sich von seiner unsympathischen Art. Zu Hause wartet statt Sabine nur ein vertrockneter Blumenstrauß auf ihn – und eine Flasche Champagner, die er in sich hineinschüttet und frustriert auf die zwei gemeinsamen Jahre zurückblickt und sich fragt, warum die Beziehung gescheitert ist. Wir erleben aus seiner Sicht einige Momente, in denen sich sein wahrer Charakter nach und nach offenbart. Er will es sich bequem machen im Leben, zu dem scheinbar eine Frau gehört – welche, ist ihm egal, denn es geht wenig um Liebe. Sie soll einfach nur wenig Raum einnehmen und nicht so viel kosten. Reichlich spät, aber zum Glück noch rechtzeitig erkennt Sabine, dass sie diesen Mann nicht heiraten kann.
»… dass gut die Hälfte der Männer in deinem Alter einfach nur will, dass wir den Mund halten und euch geben, was ihr verlangt, dass ihr verzogen seid und verachtenswert werdet, wenn die Dinge nicht so laufen, wie ihr das wollt.« S.40
Auf weniger als 50 Seiten zeichnet Keegan das Bild eines irischen, mittelalten Durchschnittsmannes, dessen Frauenbild eher ins vorige Jahrhundert passt, dem es an Reue und Einsicht fehlt. Ein Frauenbild, das leider noch immer und auch bei uns weit verbreitet ist. Mit starken Symbolen, präzisen Dialogen und meisterlich komprimiert vermittelt sie eine unmissverständlichen Botschaft und bringt das Thema Misogynie auf den Punkt. Lässt aber zugleich genügend Leerstellen für eigene Überlegungen.
Vielleicht nicht ganz so stark wie ihr Vorgänger »Das dritte Licht«, aber trotzdem beeindruckend, welchen Nachhall die Geschichte entfaltet.
Klappentext
Freitag, der 29. Juli in Dublin. Das Wetter ist wie vorhergesagt, die Stadt vor Cathals Bürofenster liegt in gleißendem Sonnenschein. Nach einem scheinbar ereignislosen Tag mit Budgetlisten und Bürokaffee nimmt Cathal den Bus nach Hause. Die Landschaft zieht an ihm vorüber, die waldigen Hügel, auf denen er noch nie gewesen ist, und er denkt an Sabine. Die ein bisschen schielt und die gut kochen kann, die auch im Winter barfuß am Strand spazieren geht, die die Hügel besteigt. Die zu viel Geld ausgibt und zu viel Raum einnimmt und zumindest über die Hälfte von allem bestimmen will. Die Frau, mit der er hätte sein Leben verbringen können, wäre er ein anderer Mann gewesen.
In dieser kleinen Geschichte eines gescheiterten Paares erzählt Claire Keegan vom großen Thema Misogynie. Und wie sie das tut: kein Wort überflüssig, jeder Satz von durchscheinender Klarheit. Meisterhaft!
Bibliografische Angaben
ISBN: 978-3-96999-325-5
Verlag: Steidl Verlag
Erscheinungsjahr: Mai 2024
Übersetzung: Hans-Christian Oeser
Seiten: 64, Leineneinband
Über die Autorin
Claire Keegan, geboren 1968, wuchs auf einer Farm in der irischen Grafschaft Wicklow auf. Sie hat in New Orleans, Cardiff und Dublin studiert. Im Steidl Verlag sind von der vielfach ausgezeichneten Autorin bereits die Erzählungsbände Wo das Wasser am tiefsten ist (2004) und Durch die blauen Felder (2008) (in einem Band: Liebe im hohen Gras, 2017), Das dritte Licht (2013/2022) und Kleine Dinge wie diese (2022) erschienen. »Das dritte Licht« wurde mit dem renommierten Davy Byrnes Award ausgezeichnet und gehört für die englische Times zu den 50 wichtigsten Romanen des 21. Jahrhunderts. Claire Keegan lebt in Irland.
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