Die Lady im See von Raymond Chandler

Werbung. Herzlichen Dank an den Diogenes Verlag für das Rezensionsexemplar.

Nachdem der letzte Kriminalroman, den ich las, mich so gar nicht abholen konnte, brauchte ich einen Krimi mit Erfolgsgarantie. Vor etlichen Jahren las ich von Raymond Chandler »Die Tote im See«. Vor kurzem erhielt ich die Neuübersetzung »Die Lady im See«, im Originaltitel »The Lady in the Lake«. Und soviel sei vorweggenommen, die Arbeit des Übersetzers, Robin Detje ,tut dem Roman gut. Er wirkt frisch, ohne auch nur einen Deut an Chandlers typischer Erzählweise und am Flair der 40er-Jahre eingebüßt zu haben.

Die Frau von Derace Kingsley, Leiter eines Kosmetik-Konzerns ist verschwunden. Die hat ihm ein Telegram geschickt, in dem sie ihm mitteilt, sie sei mit Chris Lavery durchgebrannt. Das kümmert Kinsley nicht weiter, doch nach einigen Wochen befürchtet er einen Skandal. So beauftragt er Philip Marlowe, seine Frau zu finden.
Im Ferienhaus am »Little Fawn Lake« wurde Chrystal zuletzt gesehen, also beginnt Marlowe dort mit den Ermittlungen. Und dort trifft er auch schon auf die erste Leiche. Der Fall wird schnell immer undurchsichtiger und weitere Tote lassen (bei Chandler natürlich) nicht auf sich warten.
Über mehrere Erzählstränge wird eine enorme Spannung aufgebaut und alle Stränge führen am Ende zusammen. Da wird kein Strang einfach fallengelassen oder Leser*innen mit Fragen zurückgelassen. Am Ende fügt sich alles. Unvorhersehbar und absolut nachvollziehbar. So müssen Krimis sein.
Da Chandler einer der wichtigsten Autoren von Hard-Boiled Romanen ist, verwundert nicht was folgt. Neben den erwähnten Leichen fließt flaschenweise Hochprozentiges, es werden Berge von Zigaretten geraucht und Argumente mit der Faust ausgetauscht. Selbstverständlich fehlen bei Chandler auch keine undurchschaubaren, mysteriösen Frauen. Das Ganze wird von saloppen Sprüchen begleitet.

Der Erzählstil ist typisch für Chandler, sehr bildhaft und ich musste bei so mancher Beschreibung schmunzeln. Die Dialoge sind unterhaltsam, da gibt es nichts, was unnötig wäre, nichts, was die Geschichte nicht voranbringt. Treffend und auf den Punkt gebracht, so würde ich sie beschreiben.
Schon die alte Ausgabe hielt ich für Chandlers besten Marlowe-Fall, es ist auch sein raffiniertester. Er ist wesentlich komplexer angelegt als die sieben Anderen.
Da Chandlers Bücher bereits vor einiger Zeit geschrieben wurden, dieses hier erschien erstmals 1943, hat man das Gefühl, etwas vom Zeitgeist jener Zeit zu spüren. Zwischen den Zeilen lässt sich mehr finden als ein reiner Krimi. Vielleicht ist es das, was Chandlers Bücher so zeitlos macht.
Ich kann gar nicht anders als eine klare Leseempfehlung abzugeben. Das ist Unterhaltung, die Spaß macht.

Übersetzt wurde diese Ausgabe von Robin Detje und sie enthält ein informatives Nachwort von Rainer Moritz.

Klappentext:
Wo steckt Crystal Kingsley? Ist sie wirklich mit ihrem Liebhaber nach Mexiko durchgebrannt? Um seinen Ruf zu schützen, beauftragt ihr Ehemann Detektiv Marlowe mit der Suche nach ihr. Fern von seinem Stammgebiet Los Angeles findet Marlowe sich an einem Bergsee wieder. Fast schon Urlaub. Doch da bekommt er es mit mehreren, nur scheinbar blauäugigen Blondinen zu tun. Der Ferienort wird zur Gänsehautidylle. Der Showdown mit einer korrupten Welt lässt nicht auf sich warten. In der erfrischenden Neuübersetzung von Robin Detje.

Bibliografische Angaben

ISBN: 978-3-257-24652-0
Verlag: Diogenes Verlag
Erscheinungsdatum: 28.09.2022
Seiten: 336, Taschenbuch

Avatar-Foto
Über franzosenleser 80 Artikel
"Es gibt nur einen Weg, um Kritik zu vermeiden: Nichts tun, nichts sagen, nichts sein" Aristoteles