Werbung. Herzlichen Dank an den DuMont Buchverlag für das Rezensionsexemplar.
Michel Houellebecq, dieser Meister der literarischen Provokation und der unbequemen Gedanken! Ich mache kein Geheimnis daraus, dass ich ihn für einen der bedeutendsten lebenden Schriftsteller halte, und so erwartete ich gespannt das Erscheinen seines neuesten Werks. Doch meine Neugierde wurde noch mehr angefacht, als ich bereits vorab einige vernichtende Rezensionen des Buches gelesen hatte.
»Einige Monate in meinen Leben« ist kein Roman, es ist eine Rechtfertigung, ein vergeblicher Erklärungsversuch, eine wütende Abrechnung von jemandem, der sich unverstanden und ungerecht behandelt fühlt. Michel Houellebecq hat den Zeitraum von Oktober 2022 bis März 2023 gewählt, um aus seinem Leben zu berichten. Eine Zeit, in der der sogenannte »Pornoskandal« die Schlagzeilen beherrschte. Weniger in Deutschland, aber umso mehr in Frankreich und den Niederlanden. Wer Houellebecq einmal gesehen hat, kann sich kaum vorstellen, dass er in einem Pornofilm mitspielt. Doch in diesem Buch erzählt er seine eigene Sicht der Dinge, wie er in eine Falle gelockt wurde, betrogen wurde und wie er sich nun verteidigen muss. Es ist seine ganz persönliche Perspektive auf die Ereignisse.
Die Wut über die skrupellosen Produzenten ist in jeder Zeile spürbar. Doch die Frage drängt sich auf, ob es geschickt ist, mit dieser Publikation an die Öffentlichkeit zu treten. Vielmehr als die Hinterhältigkeit des Produzenten erscheint das Bild eines weltweit bekannten Schriftstellers, der erstaunlich naiv ist. So naiv, dass es an Dummheit grenzt.
Houellebecq wäre nicht er selbst, wenn er nicht abschweifen würde. Das tut er ständig, und bereits auf Seite 26 merkt er es selbst an und weist uns darauf hin:
Einige Monate in meinem Leben, Miche Houellebecq – Seite 26
»Ich schweife ab, ich weiß, aber ich kann nichts dafür, es ist das Leben selbst, das abschweift.«
Diese Abschweifungen nutzt er, um sich zu positionieren, um den Vorwürfen, islamophob, misogyn oder was auch immer zu sein, zu begegnen. Doch es misslingt ihm.
Ich möchte noch einen anderen Blick auf dieses Buch werfen. Das Leben hat hier einen genialen Plot geschrieben. Hätte Houellebecq dieses Pamphlet nicht veröffentlicht, sondern hätte er es ein, zwei oder sogar drei Jahre liegen lassen, hätte es kaum ein besseres Thema geben können, um einen großen Gesellschaftsroman zu schreiben. Einen der die Dekadenz unserer Zeit auf einzigartige Weise darstellt, die Entfremdung des Menschen von sich selbst – es hätte sein Meisterwerk werden können.
Trotz allem war dieses Büchlein wieder ein Lesegenuss, dank Houellebecqs einzigartiger Art, mit Worten zu jonglieren. Die Schadenfreude über die ständige Frage »Wie blöd kann man denn sein?« trug sicherlich auch zu meinem Lesevergnügen bei.
Doch die Lektüre enthüllt eine wertvolle Erkenntnis: Houellebecq lässt sich politisch nicht einordnen. Rechte lehnen ihn ab und stimmen ihm zu. Linke genauso. Konservative sind schockiert, Progressivere angewidert oder begeistert. Houellebecq spricht Menschen aller Gesellschaftsschichten und Überzeugungen an, oder er stößt sie ab. Nach der Lektüre dieses Buches versteht man, warum das so ist.
Deshalb gibt es von mir eine klare Leseempfehlung für alle, die Houellebecq lieben und die Einblick in seine Gedankenwelt bekommen möchten.
Klappentext
»Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich wie der Gegenstand einer Tierdokumentation; es fällt mir schwer, diesen Augenblick zu vergessen.«
Bibliografische Angaben
ISBN: 978-3-8321-6831-5
Verlag: DuMont Buchverlag
Erscheinungsjahr: 2023
Seiten: 106, Hardcover
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