Werbung, ich bedanke mich bei Hanser Literaturverlage für das Rezensionsexemplar.
Castle Freemans Bücher haben für mich zwei große Vorteile: Erstens sind sie recht kurz und gleichzeitig kurzweilig und zweitens sind sie einfach zum Schmunzeln. Aber diesmal habe ich sogar laut gelacht – und das passiert bei mir echt selten.
1990 trifft Port Conway zum ersten Mal auf die bildschöne Lucy.
»Wie alt war sie wohl? Dreizehn? Vierzehn? … Wahrscheinlich brachte sie schon die nicht mehr so kleinen Jungs um den Verstand. In ein paar Jahren würde es wehtun, sie anzusehen. Aber sie saß hier fest, in diesem Loch. Eine Blume – ein Krokus, eine Lilie im Schlamm.« S.20
Port ist als Volkszähler unterwegs und wird von Lucys sturem Vater Pop kurzerhand rausgeschmissen. Auch Lucy denkt nicht daran, ihm ein paar Fragen zu beantworten. Aber Port hat Zeit, in 10 Jahren ist die nächste Volkszählung – und Lucy erwachsen.
Und in der Zwischenzeit passiert, was halt so passiert auf dem einsamen Land in Vermont. Port wird zum Einsiedler, Lucy lebt inzwischen bei ihrer großen Halbschwester Connie und verliebt sich – nur leider nicht in Port. Auch wenn der sich nichts sehnlicher wünscht. Connie hält eh nicht viel von Port, aber er ist nun mal der beste Freund ihres Mannes Cliff.
Lucy hingegen weiß genau, was sie will, sie hat Pläne – möglich weit von diesem Dorf und diesem Leben wegzukommen. In puncto Männer lässt sie sich nichts sagen, hat aber irgendwie kein glückliches Händchen. Und ganz langsam gerät über die Jahre so einiges aus den Fugen. Und darüber muss man reden, Port mit Cliff und Cliff mit Connie. Und Lucy will nichts davon hören.
Es reicht ja nicht, dass Freeman mich mit seinen trockenen und lakonischen Dialogen schon überzeugt hat. Nein, er will, dass wir Lesenden mitten drin sind im Dorfleben. Dafür erzählt er abwechselnd aus der Sicht von Cliff, Port und Connie. Dadurch ergeben sich wunderbar vielschichtige Charaktere mit Kanten und Ecken.
Freeman überzeugt durch seine humorvolle und empathische Art zu erzählen, von geplatzten Träumen, Versagern und Verbrechern und ganz normalen Hinterwäldlern, die ihr Leben leben. Hier ticken halt die Uhren langsamer. Sheriff Wing hat diesmal nur einen Kurzauftritt, zeigt aber, dass seine ganz eigene Strategie wieder funktioniert.
Und Freeman hält uns bei aller Kurzweiligkeit zusätzlich bei der Stange, denn im Prolog erfahren wir, dass Port in nur wenigen Minuten vor den Traualtar treten wird. Wie viele Volkszählungen er wohl durchführen musste, bis es so weit war? Nur so viel sei verraten, es lagen einige Stolpersteine im Weg. Zum Glück ist Port ein geduldiger Mann und eine treue Seele.
Klappentext
Connie Bennett macht sich nicht viel aus dem zugezogenen Eigenbrötler Port Conway. Dass ihr Mann Cliff ausgerechnet mit ihm befreundet sein muss – sei’s drum. Doch als ihre verboten schöne Halbschwester Lucy zu ihr und Cliff zieht und dem ganzen County – einschließlich Port – den Kopf verdreht, gerät so einiges aus den Fugen. Denn Lucy lässt sich nicht reinreden, schon gar nicht bei den Männern. Mit gewohnter Lakonie und einer großen Portion Ironie erzählt Castle Freeman von einer Hochzeit mit Hindernissen im hinterwäldlerischen Vermont. Bis zum Altar ist es weit und Sheriff Wing muss mehr als einmal die Ordnung wiederherstellen – auf seine Art natürlich.
Bibliografische Angaben
ISBN: 978-3-446-27753-3
Verlag: Carl Hanser Verlag
Erscheinungsjahr: 24. Juli 2023
Übersetzung: Dirk van Gunsteren
Seiten: 224, Hardcover
Über den Autor
Castle Freeman wurde 1944 in San Antonio, Texas, geboren. In Chicago aufgewachsen, studierte er an der Columbia University. Heute lebt er in Vermont, arbeitete als Redakteur und schreibt Short Stories und Romane. Sein Roman »Männer mit Erfahrung« (Nagel & Kimche, 2016) wurde 2015 mit Anthony Hopkins, Julia Stiles und Ray Liotta verfilmt. Zuletzt erschienen von ihm »Auf die sanfte Tour« (Nagel & Kimche, 2017), »Der Klügere lädt nach« (Nagel & Kimche, 2018) sowie bei Hanser die Romane Herren der Lage (2021), Ein Mann mit vielen Talenten (2022) und Treue Seele (2023).
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