MELODY – Martin Suter

Werbung, da Rezensionsexemplar, danke an Diogenes Verlag.

Suter seziert gern en détail die Welt der Reichen, so zumindest der Eindruck, wenn man seine Romane gelesen hat. Und er weiß, wo sie ihre Leichen verstecken!
Diesmal nimmt er uns mit in die Villa des Multimillionärs Dr. Peter Stotz, der nicht mehr lange zu leben hat. Stotz hat eine beispiellose Karriere hinter sich, Kunstmäzen, Geldgeber, Königsmacher, Strippenzieher und Politiker.
Wichtig ist ihm jetzt, wo ihm nur noch wenig Zeit bleibt, dass sein Nachlass so geordnet wird, damit die Welt von ihm den richtigen Eindruck behält. Dafür stellt er den jungen Juristen Tom Elmer ein. Tom hat lange und gern studiert, bis seine Geldquelle versiegt ist. Verzweifelt auf der Suche nach einem Job, kommt ihm das Angebot gerade recht. Stotz bietet ihm dafür eine stolze Summe, zu der Tom nicht nein sagen kann. Noch ist Tom aber nicht klar, was von den ganzen Aktenbergen wirklich wichtig ist.

»Nimm die Fakten, die für mich sprechen. Und die Fiktion, die nicht leicht widerlegbar ist.« S.59

Während Stotz’ Leben sich in Umzugskisten vor Tom aufstapelt, scheint sein Arbeitgeber aber etwas anderes auf dem Herzen zu liegen. Er erzählt ihm von seiner großen Liebe Melody, deren Konterfeis im ganzen Haus verteilt sind, zwischen Parfümflakons, Stickereien und Theaterkarten.

»Melody war mein erster Gedanke am Morgen, mein letzter am Abend und fast mein einziger dazwischen. Kennen Sie das?«

Doch Melody verschwindet wenige Tage vor der geplanten Hochzeit. Für Stotz beginnt eine lebenslange Suche. Tom zweifelt allmählich am Wahrheitsgehalt der ausgeschmückten Erzählung. Doch wie weit liegen Wirklichkeit und Fiktion auseinander? Gemeinsam mit Laura, Stotz’ Großnichte, begibt er sich auf die Spurensuche.

Was ist es, was wir am Ende eines Lebens hinterlassen, was ist es wert, zu wissen, was macht einen Menschen aus? Und diese Fragen muss sich nicht nur Tom stellen. Es ist eine Geschichte über Geheimnisse und Täuschungen, über Erlebtes und Fiktives, deren Grenzen ineinander verschwimmen. Am Ende zeigt sich einmal mehr, mit Geld kann man sich nicht alles kaufen.

Suter hat mich wieder mal aufs beste unterhalten. Für ein paar Stunden nimmt er uns mit in die Welt der Reichen am Zürichberg, die für die meisten seiner Leser unbekannt ist, aber lebendig wird. Er verwöhnt uns mit gutem italienischen Essen, dass uns das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt, und guten Aperitifs, (Sherry ist übrigens ein Stehgetränk). Während vielen Autoren hier lediglich klischeehafte Figuren gelingen, macht Suter sie für uns lebendig, greifbar und stürzt sie gern von ihrem Sockel. Er entmystifiziert sie, indem er sie als alte Menschen auf die Toilette schickt und spickt sie mit menschlichen Gebrechen und Krankheiten.
Für mich ist Suter ein großer Menschenkenner, fein beobachtet entblättert er deren Schwächen und Geheimnisse. Halbseidenes und Zwielichtiges spült er an die Oberfläche, versteckt zwischen dezenter Spannung, feinem Humor und raffinierter Übertreibung. Sein Erzählstil ist geschmeidig, ungezwungen mit einer saloppen Leichtigkeit, die mich immer wieder fesselt. Sätze wie:

»Dabei war ich nur eines seiner kulturellen Accessoires. Das literarische Einstecktüchlein«

entlocken mir immer wieder ein Schmunzeln.
Auch wenn die Literaturkritiker gern über ihn herfallen, ihm Adjektivismus und Klischeesierung in referierter Spannungslosigkeit vorwerfen, bleibt Suter für mich einer der großen Romanciers der heutigen Zeit.
Für alle, die noch nicht das Vergnügen hatten, ist »Melody« ein guter Einstieg in die gepflegte sutersche Welt der Unterhaltung.

Klappentext

In einer Villa am Zürichberg wohnt Alt-Nationalrat Dr. Stotz, umgeben von Porträts einer jungen Frau. Melody war einst seine Verlobte, doch kurz vor der Hochzeit – vor über 40 Jahren – ist sie verschwunden. Bis heute kommt Stotz nicht darüber hinweg. Für die Ordnung des Nachlasses stellt der alte Herr einen Studenten ein, der diesen Job dringend braucht. Nach und nach stellt sich Tom die Frage, ob Dr. Stotz wirklich ist, wer er vorgibt zu sein.

Bibliografische Angaben

ISBN: 978-3-257-07234-1
Verlag: Diogenes Verlag
Erscheinungsjahr: 22. März 2023
Seiten: 336, Hardcover, Leineneinband

Über den Autor

Foto: © Marco Grob

Martin Suter wurde 1948 in Zürich geboren. Seine Romane und ›Business-Class‹-Geschichten sind auch international große Erfolge. Seit 2011 löst außerdem der Gentleman-Gauner Allmen in einer eigenen Krimiserie seine Fälle, derzeit liegen sechs Bände vor. 2022 feierte der Kinofilm von André Schäfer ›Alles über Martin Suter. Außer die Wahrheit‹ am Locarno Film Festival Premiere. Seit einigen Jahren betreibt der Autor die Website martin-suter.com. Er lebt mit seiner Familie in Zürich.

Weitere Bücher von Martin Suter:

• Small World (1997)
• Die dunkle Seite des Mondes (2000)
• Ein perfekter Freund (2002)
• Lila, Lila (2004)
• Der Teufel von Mailand (2007)
• Der letzte Weynfeldt (2008)
• Der Koch (2010)
• Die Zeit, die Zeit (2012)
• Montecristo (2015)
• Elefant (2017)

Business Class (Kolumnensammlung):

• Manager in der Westentasche (1994)
• Mehr Manager in der Westentasche (1995)
• Noch mehr Manager in der Westentasche (1998)
• Geschichten aus der Welt des Managements (2000)
• Neue Geschichten aus der Welt des Managements (2002)
• Huber spannt aus und andere Geschichten (2005)
• Unter Freunden und andere Geschichten (2007)
• Das Bonus-Geheimnis und andere Geschichten (2009)
• Abschalten. Die Business Class macht Ferien (2012)
• Alles im Griff: Eine Business Soap (2014)
• Cheers – Feiern mit der Business Class (2016)
• Nachts im Chalet Nevada (2020)

Allmen-Reihe in der richtigen Reihenfolge:

• Allmen und die Libellen (2011)
• Allmen und der rosa Diamant (2011)
• Allmen und die Dahlien (2013)
• Allmen und die verschwundene María (2014)
• Allmen und die Erotik (2018)
• Allmen und der Koi (2019)

Pressestimmen

»Martin Suter hat die seltene Gabe, Schweres leicht erscheinen zu lassen. Er schreibt einen Bestseller nach dem anderen, die inhaltlich wie literarisch glänzen.«
Michael Knoll / Bücher, Kiel

»Martin Suter gilt als Meister einer eleganten Feder, die so fein geschliffen ist, dass man die Stiche oft erst hinterher spürt.«
Monika Willer / Westfalenpost, Hagen

»Wenn es überhaupt einen Schriftsteller gibt, dessen Feder man gern entsprungen wäre, dann ihn
Elmar Krekeler / Berliner Morgenpost

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Es kommt darauf an, einem Buch im richtigen Augenblick zu begegnen. Hans Derendinger

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