Das Ende des Kapitalismus von Ulrike Herrmann

Mit Politik befasse ich mich schon mein ganzes Leben, während meines Studiums kam auch Wirtschaftstheorie dazu. Schnell verstand ich, dass der Motor des Kapitalismus Wachstum ist. Kein Wachstum bedeutet nicht, dass alles so weiter geht, auf dem gleichen Level, sondern es bedeutet, dass das System zu wanken beginnt. Schon damals fragte ich mich, wie das gehen soll, ständiges Wachstum? Da jegliche Ressourcen begrenzt sind.
Wachstum wurde nur kurzzeitig durch mehr Schaffenskraft erreicht, schon lange wird es nur noch erreicht, indem anderen etwas weggenommen wird. Ausbeutung. Waren es anfangs die Arbeiter, die ausgebeutet wurden, die Entwicklungsländer, und dann schnappten sich Großkonzerne die Umsätze kleinerer Unternehmen. Alles ist nur begrenzt verfügbar, auch die Kaufkraft. Auf die Ressourcen von Mutter Erde wurde dabei nie Rücksicht genommen, sie wurde in der Geschichte des Kapitalismus schon immer bedenkenlos ausgebeutet. Irgendwann musste dieses System kolabieren. Mein Professor meinte damals, ich sei ein linker Spinner und sollte doch in die DDR gehen. Erstens war ich nie Kommunist und zweitens ist es doch logisch: Unbegrenztes Wachstum gibt es nicht. Krebsgeschwüre wuchern unbegrenzt, bis sie den ganzen Körper zerstören und damit auch sich selber.
Bei diesen Betrachtungen muss man vor Augen haben, dass Kapitalismus nicht das Gegenteil von kommunistischer Planwirtschaft ist, sondern es waren einfach die beiden Wirtschaftssysteme, die es auf der Welt gab. Denkbar sind auch andere Modelle. Ein Jahr nach der Diskussion mit meinem Prof, brach der Ostblock zusammen, was meinen Prof ermunterte, mir mitzuteilen, dass dies der Beweis wäre, dass es doch unbegrenztes Wachstum gäbe. Riesige neue Märkte hätten sich aufgetan und irgend so etwas würde immer wieder passieren.

Lassen wir das, zum Inhalt des Buchs:

Die Autorin stellt die These auf, dass mit dem Kapitalismus, wie wir ihn kennen, ein Stoppen der Klimakrise nicht möglich ist.

Auch wenn durch den Kapitalismus materieller Wohlstand in die Industrienationen einzog, so ist er auch für das Ausmaß der Klimakatastrophe verantwortlich. Da es immer weiteres Wachstum geben muss, um die Wirtschaft in Gang zu halten, ist es unausweichlich, dass wir uns von diesem wachstumsorientierten Kapitalismus abwenden müssen. Doch halten Wirtschaftswissenschaftler, Klimaforscher und Politiker an diesem System fest, sie präferieren ein System des grünen Wachstums. Doch keiner will etwas Grundlegendes ändern. Alles soll so weiterlaufen wie bisher, ändern wir nur die Technik: statt Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen, sollen regenerative Energien zum Einsatz kommen.
Sehr detailliert erklärt die Autorin, dass die theoretischen Möglichkeiten alternativer Energien keine Lösung, da oft noch nicht (in ausreichendem Maße) vorhanden. So lässt sich grünes Wachstum nicht erreichen.
Sie meint, dass wir uns auf ein grünes Schrumpfen einstellen müssen: Grüne Enerie wird knapp und damit auch teuer bleiben. Das wird dazu führen, dass einige Branchen zwangsweise schrumpfen müssen. Das betrifft vor allem. Teile der Chemieindustrie, Autohersteller, die Luftfahrtindustrie, aber auch Banken und Versicherungen. Im Gegenzug gibt es genug Arbeit, eben andere, z.B. in der ökologischen Landwirtschaft und bei der Minderung der Folgen des Klimawandels.
Die Wirtschaft sollte dieses Schrumpfen geplant durchführen, denn wenn das ungeplant, chaotisch passiert, dann verlieren die Menschen zuerst ihren Arbeitsplatz, das Einkommen und dann ihre Perspektiven und die Hoffnung. Die Gefahr, dass extreme Parteien an die Macht kommen, ist dann groß.
Die Autorin verweist zurecht darauf, dass aktuell ein Weg fehlt, aus diesem Wachstumskapitalismus auszusteigen, ohne dass es eine tiefe Rezession gibt, die Massenarmut zur Folge hat. Sie liefert auch einen Lösungsansatz: Das Modell der britischen Kriegswirtschaft, welchen in den Jahren 1939 bis 45 die knappen Ressourcen schonen sollte. Im Prinzip ist das eine Mischung aus Markt- und Planwirtschaft.
Offen lässt die Autorin dabei die Details, klar, das müssen die entsprechenden Experten erledigen. Es scheint ein interessanter Ansatz zu sein.

Fazit:
Ulrike Herrmann schafft es, die wirtschaftlichen Zusammenhänge und Wechselwirkungen leicht verständlich zu erklären. Dabei schreibt sie auf eine Art und Weise, die auch noch unterhaltsam ist. Ein wichtiges Buch, denn es ist höchste Zeit, jetzt endlich was gegen den Klimawandel zu unternehmen – und nicht nur Absichtserklärungen abzugeben.

Bibliografische Angaben

ISBN: 978-3-462-00255-3
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Erscheinungsdatum: 08.09.2022
Seiten: 352, Hardcover

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