WAS ICH EUCH NICHT ERZÄHLTE – Celeste Ng

Stell dir vor, alle in deiner Familie wollen nur das Beste und genau deshalb endet alles in einer Katastrophe.

»Lydia ist tot. Doch das wissen sie noch nicht.«
Mit diesen Sätzen schmeißt Ng ihre Leser mitten in die Geschichte. Was sich keiner in der Familie vorstellen kann, wird schon nach kurzer Zeit Gewissheit.

Der Tod eines Menschen teilt das Leben in ein DAVOR und DANACH. In diesem Rhythmus wird uns die Geschichte der Familie Lee erzählt. Der Vater James, Kind chinesischer Einwanderer, Wissenschaftler und Unidozent heiratet Marilyn, eine Amerikanerin, blond, Medizinstudentin, die ihren Traum für ihre Familie aufgibt. Nath, der älteste der Geschwister, wird nicht ernst genommen, Hannah, die Jüngste, schein unsichtbar.

»Hannah listete in Gedanken Lydias viele Spitznamen auf. Lyd. Lyds. Lyddie. Süße. Liebes. Engel. Hannah wurde immer nur Hannah genannt.«

Ihre Mutter wollte aus der Menge herausstechen, ihr Vater wünschte sich sehnlichst, Teil dieser Menge zu sein. Marilyn will aus dem alten Rollenverständnis ausbrechen, möchte Ärztin werden, in den 60ern und 70ern keine Selbstverständlichkeit. Auch James hatte Träume, doch stößt immer wieder an die Grenzen des Rassismus. Und Lydia? Sie wird unfreiwillig zum Mittelpunkt der Familie – »hielt jeden Tag die Welt zusammen. Sie schluckte die Träume ihrer Eltern und unterdrückte den Widerwillen, der in ihr brodelte.«

Wie eine Zwiebel häutet Ng die Familienmitglieder und bringt nach und nach alles zum Vorschein – Verletzlichkeit, Anderssein, Zurückweisung, Narben der Kindheit, ungelebte Träume und Wünsche, Geheimnisse. Denn es geht bei Lydias Tod nicht um das WIE, sondern um das WARUM. Die Geschichte entwickelt mit jeder Szene einen größeren Sog, weckt Verständnis aber auch Unverständnis. Nicht alles, was gut gemeint ist, ist auch gut für den anderen. Wie geht man um mit der Erwartungen anderer? Immer wieder deutlich wird, wie verletzlich aber auch unsichtbar das fragile Familiengefüge ist.

Klappentext

»Lydia ist tot.« Der erste Satz, ein Schlag, eine Katastrophe. Am Morgen des 3. Mai 1977 erscheint sie nicht zum Frühstück. Am folgenden Tag findet die Polizei Lydias Leiche. Mord oder Selbstmord? Die Lieblingstochter von James und Marilyn Lee war ein ruhiges, strebsames und intelligentes Mädchen. Für den älteren Bruder Nathan steht fest, dass Jack an Lydias Tod Schuld hat. Marilyn, die ehrgeizige Mutter, geht manisch auf Spurensuche. James Lee, Sohn chinesischer Einwanderer, bricht vor Trauer um die Tochter das Herz. Allein die stille Hannah ahnt etwas von den Problemen der großen Schwester. Was bedeutet es, sein Leben in die Hand zu nehmen? Welche Kraft hat all das Ungesagte, das Menschen oft in einem inneren Abgrund gefangen hält? Nur der Leser erfährt am Ende, was sich in jener Nacht wirklich ereignet hat.

Über die Autorin

Celeste Ng, geboren 1980, wuchs in Pittsburgh, Pennsylvania, und in Shaker Heights, Ohio, auf. Sie studierte Englisch in Harvard und Kreatives Schreiben an der University of Michigan. ›Was ich euch nicht erzählte‹ stand genauso auf der Bestsellerliste wie ›Kleine Feuer überall‹, das auch als Miniserie verfilmt wurde. Celeste Ng lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Cambridge, Massachusetts.

Bibliografische Angaben

ISBN: 978-3-423-14599-2
Verlag: dtv Verlag
Erscheinungsjahr: 2016
Übersetzung: Brigitte Jakobeit
Seiten: 280, Taschenbuch

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Es kommt darauf an, einem Buch im richtigen Augenblick zu begegnen. Hans Derendinger