Frau Faust von Antje Zimmermann

Nach dem Mordversuch an einem Journalisten führt eine Spur zur Bestsellerautorin Clarissa Moor, die kurz darauf tot aufgefunden wird. Die ermittelnde Kommissarin Katharina (Kata) Sismann kannte die Tote. Wie nahezu alle, die mit Carissa Moor zu tun hatten, konnte auch Kata sie nicht ausstehen. Die Geschichte schlägt einige Haken, was auch daran liegt, dass Kata sich neben der Aufklärung des Mordes sich durch das Kölner Nachtleben vögelt. Außerdem hat sie mit ihren eigenen Dämonen zu kämpfen und leidet an den Folgen einer Kopfverletzung in ihrem früheren Leben als Boxerin.

So viel zum Inhalt, es soll ja nicht zu viel verraten werden. Das klingt doch erst mal interessant …
Der Erzählstil der Autorin ist wirklich klasse, eine erfrischende Erzählstimme, anfangs war es eine wahre Freude zu lesen. Doch dann wurde es langatmig, es passierte nichts, was mich in der Handlung hielt. Ich war nahe dran abzubrechen. Klar in Kriminalromanen gibt es Phasen mit wenig Handlung, dann tragen die Figuren die Story. Leider war das hier nicht der Fall, die Figuren wurden zwar mit allerlei ungewöhnlichen oder auffälligen, teilweise auch amüsanten, Merkmalen bestückt, blieben aber flach (mit einer Ausnahme, dazu komme ich später).

Antje Zimmermann erzählt die Geschichte aus den Perspektiven der unterschiedlichen Figuren in der dritten Person. Leider gelingt ihr das streckenweise nicht besonders gut, stellenweise verliert sie die zuvor vorhandene Distanz. An wenigen Stellen rutscht sie so sehr in die Figuren rein, als wenn die erste Person angebracht wäre. So passiert es, dass in einer Szenenbeschreibung mit Obdachlosen, diese von der Autorin als »Penner« (Seite 98) bezeichnet werden. Wohlgemerkt im Fließtext, nicht in den Gedanken der Figur und nicht in Dialogen, sondern in einem Text, der die Distanz eines personalen Erzählers hat.

Doch im letzten Viertel nimmt »Frau Faust« wieder Fahrt auf, Kata bekommt viel zu spät Tiefe. All das, was der Figur Leben eingehaucht hätte – Verständnis oder auch Abneigung, für Kata erzeugt hätte – wurde mir auf ein paar Seiten um die Ohren gehauen, direkt als es auf das Finale zuging. Also gerade noch rechtzeitig, dass es tatsächlich ein rasantes, spannendes, wenn auch vorhersehbares Ende gab. Die Auflösung dieser wirklich herrlich verstrickten Geschichte wirkt sehr konstruiert und unglaubwürdig. Da habe ich schon bessere Auflösungen gelesen.
Darüber hinaus sind Handlungsstränge einfach so im Nirwana verschwunden, teils waren sie so unwichtig, dass man sie besser ganz weggelassen hätte. Gemeint sind keine falschen Fährten (red hering), sondern Stränge, die einfach aufhörten und in keinem Bezug zum Ende des Buches standen, aber doch so einprägsam waren, dass am Ende die Frage blieb: Was war jetzt mit …?
Für erwähnenswert halte ich noch die Figur des Carl Vian, schwuler Assistent der ermordeten Schriftstellerin. Das ist die einzige Figur mit Tiefe. Doch ich habe auch hier was zu meckern. In meinen Augen ist es ein vorurteilsbehaftetes Bild schwuler Menschen, was hier gezeichnet wird, eines das vor 40 Jahren vielleicht noch zeitgemäß war (aber trotzdem nicht OK). Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, bekommt diese Figur auch noch Klischees von (vermeintlich) weiblichen negativen Attributen übergestülpt. Wir leben im Jahr 2022 und da sollte es möglich sein solche Figuren anders zu zeichnen.

Fazit:
Ein toller Erzählstil und eine interessante Grundidee, aus der man hätte was machen können. Und es sind durchaus einige amüsante Seitenhiebe um Promigehabe und auf den Literaturbetrieb vorhanden. Ich habe auch die interessante Idee des Spiels mit dem Genre Krimi gesehen: Eine Autorin schreibt einen Krimi, in dem es um eine Krimiautorin geht und die (vielleicht) von jemandem umgebracht wird, der oder die auch Krimis schreibt.
Leider rettet das auch nicht über die langatmigen Strecken, die flachen Figuren und erst recht nicht über die diskriminierenden Aspekte hinweg. Ich hätte mich gefreut, wenn Kata als Charakter die gleiche Tiefe wie Carl Vian bekommen hätte. Die Figur der Kata hätte die Voraussetzungen für für einen äußerst interessanten Charakter . Das hätte so viel wettgemacht, damit wäre dem Buch schon sehr geholfen gewesen. So kann ich leider keine Leseempfehlung abgeben.

Wichtige Anmerkung:

Ich kritisiere Bücher ungern so stark, wie ich es mit diesem Titel tat. Gefällt mir ein Buch nicht, dann habe ich auch keine Lust, es zu besprechen. Doch in diesem Fall versprach ich jemandem eine Besprechung des Buchs. Das oben Geschriebene ist meine Meinung, das was mir sehr negativ aufstieß, andere mögen das anders sehen. Nicht alle Leser*innen stört es, wenn Figuren flach sind, das wird unterschiedlich wahrgenommen. Was der Eine als „flach“ empfindet sieht eine Andere ganz anders. Auch nicht aufgelöste Handlungsstränge finden sich in letzter Zeit immer öfter in Büchern und auch das stört viele Menschen nicht. Es kann also durchaus sein, dass dir das Buch trotzdem zusagt, denn die oben genannte Kritik ist mein persönlicher Standpunkt.

„Es gibt nur einen Weg, um Kritik zu vermeiden: Nichts tun, nichts sagen, nichts sein“ – Aristoteles

Klappentext:

Das Verbrechen schlägt zu – sie schlägt zurück!

In einer männerdominierten Welt muss sie sich Tag für Tag durchschlagen: Kriminalkommissarin Katharina Sismann hat eine beeindruckende Erfolgsquote vorzuweisen – vielen ihrer Kollegen ist das ein Dorn im Auge.

Aber auch privat lebt Kata am Anschlag:

Zahllose Affären und die Stimmungsschwankungen nach einer Kopfverletzung machen sie einsam. Gleichzeitig aber auch hungrig nach Erfolg und Anerkennung.

Der Fall, der alles verändert …

Als eine mondäne und schwerreiche Schriftstellerin brutal ermordet wird, beginnt für Kata der Fall ihres Lebens – ein Fall, der alles, woran sie bislang geglaubt hat, tief erschüttern wird …

»Frau Faust« ist das Debüt der Kölner Journalistin Antje Zimmermann über eine Kommissarin, die geschlagen, aber nicht besiegt ist.

Bibliografische Angaben

ISBN: 978-3-492-06244-2
Verlag: Piper
Erscheinungsdatum: 28.07.2022
Seiten: 304, Taschenbuch

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