Ein neuer Murakami den muss ich einfach genießen. Ich machte es mir also in meinem Lesesessel bequem (der auch gleichzeitig mein Fernsehsessel ist), bat meinen Google Nest, Tom Waits zu spielen, und hatte den Amaretto bereit (den fand ich passend).
Hach was war das für ein zelebriertes Wohlfühlen, die erste Geschichte zog mich sofort rein, ich war im Murakami-Fieber, hörte nichts von der Musik und rührte den Amaretto nicht an, bis ich die zweite Geschichte gelesen hatte.
Das war mein erster Abend mit Murakami.
Am folgenden Tag fieberte ich auf den Abend hin, sah ständig auf die Uhr (deren Zeiger sich nicht fortbewegen zu schienen), wann es endlich Zeit wäre, nach Hause zu gehen und mich wieder dem Buch, des von mir sehr geschätzten Autors, zu widmen.
Als ich mich schließlich am Abend wieder dem Buch zuwandte, verspürte ich ein unterschwelliges Unbehagen. Was war das? War der Grund, dass ich ein Taschenbuch und kein gebundenes Buch las? Sollte man Murakami nicht direkt nach einem Schirach lesen? Oder hatte ich den Tag noch nicht abgestreift?
Ich konnte es nicht sagen, wischte die unbehaglichen Gedanken beiseite und begann die Geschichte Charlie Parker Plays Bossa Nova zu lesen. Mehrmals unterbrach ich das Buch, stand auf, rauchte Eine (das mache ich immer auf dem Balkon), und begann von Neuem mich in das Buch zu vertiefen. Doch es wollte sich so gar nicht das Murakami-Feeling einstellen. Nicht an diesem Abend, nicht am folgenden und auch nicht an dem darauffolgenden.
Was soll ich euch sagen? Gar nichts, ich lasse Murakami selber sprechen:
»Ich hatte noch etwa ein Drittel zu lesen, wie schon erwähnt, handelte es sich um das neue Buch eines Autors, den ich vergleichsweise gern mochte, doch leider war die Geschichte diesmal nicht so spannend wie erhofft.«
Haruki Murakami – Erste Person Singular
Hey, ich glaube, Haruki Murakami hat das gleiche Buch gelesen, wie ich! Schräg, oder? Wirklich skurril, so wie ich es in seinen besten Geschichten liebe. Doch ich traute meinen Augen nicht, als ich mein weiteres Leseerlebnis auf den letzten Buchseiten genau wiedergeben fand:
»Dennoch las ich halb aus Pflichtgefühl, halb aus Gewohnheit weiter. Ich habe es noch nie gemocht, ein Buch beiseitezulegen, wenn ich es einmal angefangen habe. Womöglich nimmt es am Ende doch noch eine unerwartet spannende Wendung, auch wenn die Wahrscheinlichkeit gering ist.«
Haruki Murakami – Erste Person Singular
Übrigens, Erste Person Singular nahm diese Wendung, die letzten beiden Geschichten waren die besten.
Mein Fazit:
Nicht Murakamis bestes Buch, aber durchaus lesenswert und Andere mögen vielleicht durch genau die Geschichten angesprochen werden, die mir weniger gefallen haben.
Klappentext
Frauen, die verschwinden, eine fiktive Bossa-Nova-Platte von Charlie Parker, ein sprechender Affe und ein Mann, der sich fragt, wie er wurde, was er ist: Die Rätsel um die Menschen, Dinge, Wesen und Momente, die uns für immer prägen, beschäftigen die Ich-Erzähler der acht Geschichten in ›Erste Person Singular‹. Es sind klassische Murakami-Erzähler, die uns in eine Welt aus nostalgischen Jugenderinnerungen, vergangenen Liebschaften, philosophischen Betrachtungen, Literatur, Musik und Baseball entführen. Melancholisch, bestechend intelligent und tragikomisch im allerbesten Wortsinn sind diese Geschichten, die wie beiläufig mit der Grenze zwischen Fiktion und Realität spielen und immer wieder den Verdacht nahelegen, dass Autor und Ich-Erzähler mehr als nur ein paar Gemeinsamkeiten haben.
Bibliografische Angaben
ISBN: 978-3-442-77214-8
Verlag: bzb Verlag
Erscheinungsdatum: 11.04.2022
Seiten: 224, Taschenbuch
Übrigens, ein.lesewesen hat dieses Buch auch besprochen, ihre Rezension findest du hier.
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