»Karte und Gebiet« von Michel Houellebecq & Louis Paillard

Werbung. Herzlichen Dank an den DuMont Buchverlag für das Rezensionsexemplar.

2010 gewann Michel Houellebecqs »La carte et le territoire« den angesehenen Prix Goncourt. Ein Jahr später erschien die deutsche Übersetzung, »Karte und Gebiet«, übertragen von Uli Wittmann. Nun, 12 Jahre später, hat Louis Paillard den epischen Roman in eine Graphic Novel überführt, wobei die Texte höchstpersönlich von Michel Houellebecq stammen. Das Ergebnis ist keine gewöhnliche Comic-Adaption, sondern ein außergewöhnliches Werk, in dem Bilder und Worte zu einer harmonischen Einheit verschmelzen.

In der Eröffnungsszene wird der Protagonist Jed Martin gezeigt, wie er Porträts von Jeff Koons und Damien Hirst malt, die als reale Kunstgrößen Pate stehen. Durch die geschickte Verwendung von Michelin-Straßenkarten am Computer erlangte Jed als Künstler Anerkennung. In seinem Bestreben, das Vorwort des Ausstellungskatalogs von keinem Geringeren als dem skandalumwitterten Michel Houellebecq schreiben zu lassen, entsteht eine unerwartete Freundschaft. Doch die Geschichte nimmt eine düstere Wendung, als der Schriftsteller brutal ermordet wird, und das von Jed gemalte Porträt verschwindet.

Als Verehrer von Houellebecqs literarischen Fähigkeiten stellte sich mir die Frage, ob eine Graphic Novel die Tiefe des Romans »Karte und Gebiet« überhaupt erreichen kann. Was geht verloren, was bleibt von der komplexen Handlung übrig? Die Antwort geben Paillards beeindruckende Zeichnungen, die die Handlung akribisch darstellen. Houellebecqs Texte verbinden die Bilder geschickt und weben sie zu einer kohärenten Einheit.

Es handelt sich nicht um eine einfache Umsetzung des Romans im Comic-Stil, sondern um ein eigenständiges Werk, das auf Houellebecqs Roman basiert. Zu keinem Zeitpunkt hatte ich das Gefühl, die Geschichte bereits zu kennen; sie war neu und einzigartig. Der Fokus liegt nicht im Lesen, sondern darauf, die Bilder zu betrachten, sich in ihnen zu verlieren und dann mit dem Text zur nächsten Grafik zu gleiten.

Besonders faszinierend ist die Adaption von ausgerechnet »Karte und Gebiet«, aus der Auswahl von Houellebecqs Romanen, zur Graphic Novel. Hier schließt sich der Kreis des Romans, in dem der Zeichner und der Schriftsteller aufeinandertreffen. Diesmal haben sie sich im wirklichen Leben getroffen, und im Gegensatz zur Fiktion haben beide überlebt.

Fazit: Ein Muss für alle Houellebecq-Fans. Wer »Karte und Gebiet« mochte, findet in dieser Graphic Novel eine Bereicherung, die den Roman auf eine neue Ebene hebt. Doch auch Liebhaber von Graphic Novels ohne Affinität zu Houellebecq werden das Buch schätzen. Es ist ein authentischer Houellebecq, grafisch reduziert auf das Wesentliche, ohne dass etwas verloren geht.

Klappentext

Michel Houellebecqs großer Gesellschaftsroman über die Kunst, das Geld, die Arbeit, die Liebe zu den Frauen, über die Väter und den Tod – dieser in Frankreich als Sensation gefeierte Roman findet hier die fantastische Übertragung in das Genre Graphic Novel. Louis Paillard verdeutlicht mit seinen Zeichnungen die Komplexität und den autofiktionalen Charakter des Romans. Gleichzeitig bekommt der Text durch die detailreichen Illustrationen etwas Spielerisches, das die Leser*innen fasziniert und bestens unterhält.

Bibliografische Angaben

ISBN: 978-3-8321-6824-7
Verlag: DuMont Buchverlag
Erscheinungsdatum: 10.10.2023
Seiten: 160, Hardcover Großformat

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Über franzosenleser 76 Artikel
"Es gibt nur einen Weg, um Kritik zu vermeiden: Nichts tun, nichts sagen, nichts sein" Aristoteles

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