Meisterwerk von Ana Schnabl

Werbung. Herzlichen Dank an den Folio Verlag für das Rezensionsexemplar.

Auf der Frankfurter Buchmesse stieß ich am Stand des Folio-Verlags auf dieses Buch. Dieses »Meisterwerk« entführt uns ins Slowenien des Jahres 1985.. Der Autor Adam Bevk ist Dissident, der die Unabhängigkeit Sloweniens propagiert und die Lektorin Ana Miler ist Spitzel für den staatlichen Sicherheitsdienst. Zufrieden ist sie mit ihrer Spitzeltätigkeit keineswegs, sie hat sie nur angenommen, um schneller Karriere machen zu können. Und tatsächlich mit ihren nur 30 Jahren ist sie bereits leitende Lektorin eines Staatsverlags. Adams Manuskript ist auf Interesse gestoßen und so sitzen sich die beiden in Anas Büro gegenüber: Der Dissident und die Mitarbeiterin der Geheimpolizei, der Autor und die Lektorin, ein Mann und eine Frau, die eine immense Anziehung zueinander verspüren.
Eine brisante Konstellation, die meine Neugier auf das Buch weckte, doch ich lag mit meinen Erwartungen völlig daneben. Ich erwartete einen Roman, der genau dieses Dilemma aufarbeitet. Doch das passiert nur am Rande, zu sehr wird hier Ana als Opfer dargestellt. Sie wurde zu ihrer Spitzeltätigkeit nicht gezwungen, nicht erpresst. Sie hat sich ganz bewusst, aus eigennützigem Interesse für ihre Spitzeltätigkeit entschieden.
Doch das wars dann auch schon mit der Kritik. Schnabls Erzählstil hat mich mit einem festen Griff erfasst und ihre tiefgehenden Beschreibungen der Gefühle der Protagonisten sind bemerkenswert.

»Sie hatte ihn kaum berührt, schon kommunizierte er mit ihr ganz, auch mit den Teilen, von denen sie nicht gewusst hatte, dass sie geweckt und zum Klingen gebracht werden wollen.«

„Meisterwerk“ Seite 82

Poetisch, fast zart in der Darstellung. Selbst banale Szenen werden durch Schnabls Erzählstil zu kleinen poetischen Meisterwerken.

»Sie drehte sich um. Adam, nachtverklebt und blass, aber nicht weniger schön, erwachte wie ein Präriewolf, gähnte breit, kratzte sich am Kopf und an den Armen, sogar am Rücken.«

„Meisterwerk“ Seite 89

Der Roman entpuppt sich als Liebesgeschichte, jedoch keineswegs eine gewöhnliche. Schnabl entführt uns in die Tiefen der Seelen der Protagonisten, gewährt uns intime Einblicke in ihre Gefühle. Dabei zeichnet sie ein beeindruckendes Psychogramm der beiden, was den Roman zu etwas Besonderem macht. Zwei Menschen, die sich finden und doch wieder verlieren – eine Geschichte von Verrat, aber nicht auf die erwartete Art.

Fazit

Das politische Potenzial des Romans bleibt hinter den Erwartungen zurück, vor allem im Vergleich zum vielversprechenden Klappentext. Dennoch entschädigt mich diepoetische, imposante Liebesgeschichte, die ohne Kitsch, aber mit authentischem Gefühl aufwartet, vollumfänglich. Was mich nach wie vor fasziniert, sind die fast zarten Worte, mit denen Ana Schnabl diese Geschichte erzählt.

Klappentext

Ein ungleiches Liebespaar in einem Land vor dem Zerfall: ein Roman um Wahrheit, Lüge und Selbstbehauptung. Adam ist ein Literaturprofessor an der Universität Ljubljana, der sich nach einem ersten literarischen Misserfolg vor zwanzig Jahren erneut an einem Roman versucht. Ana ist eine junge ambitionierte Verlagsredakteurin und zugleich Informantin des nationalen Sicherheitsdienstes. Sie erhält Adams Manuskript Das Meisterwerk zur Begutachtung. Im Laufe der gemeinsamen Arbeit am Text stürzen sich die Protagonisten, beide verheiratet, in eine intensive Liebesbeziehung. Während Adam sich in Dissidentenkreisen bewegt und für die Unabhängigkeit Sloweniens brennt, ist Ana hin- und Hergerissen zwischen ihren persönlichen Lebensentwürfen und dem Pakt mit der dunklen Seite des Systems. Schnabls eindringliches Psychogramm spielt vor dem Hintergrund der Katastrophe, auf die Jugoslawien nach Titos Tod zusteuert.

Bibliografische Angaben

ISBN: 978-3-85256-851-5
Verlag: Folio Verlag
Erscheinungsdatum: 15. März 2022
Seiten: 208, Hardcover

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"Es gibt nur einen Weg, um Kritik zu vermeiden: Nichts tun, nichts sagen, nichts sein" Aristoteles

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