Nach der Bombe – Philip K. Dick

Vor einiger Zeit fand ich auf einem Grabbeltisch drei Exemplare, des mir bis dahin unbekannten Autors Philip K. Dick. SciFi ist nicht so meins, doch manchmal packt es mich und ich will etwas Derartiges lesen. Also schlug ich zu und die Bücher zogen bei mir ein, was kann man denn schon falsch machen, bei 3 Büchern für 5 Euro.
Ich ahnte ja nicht, welchen Schatz ich da erworben hatte. Ich erwartete leichte Unterhaltung für zwischendurch und das bekam ich auch. Doch das Buch war viel tiefschichtiger als erwartet.

In dem postapokalyptischen Zukunftsroman entführt uns Philip K. Dick in eine düstere und beklemmende Welt. Mit präziser Sprache und einem unerwartet tiefgründigen Blick auf die menschliche Natur zeichnet Dick das Bild einer Gesellschaft nach einem verheerenden globalen Konflikt, das mir den Atem stocken ließ.
Dick entwirft eine Welt, die von den Auswirkungen eines Atomkrieges gezeichnet ist. Die menschliche Zivilisation liegt in Trümmern, und die Überlebenden sind gezwungen, in den Ruinen einer einst blühenden Welt zu existieren. Ein wahrhaft dystopisches Setting, doch es war es allem die psychologische Dimension der Geschichte, die mich in ihren Bann zog.

Dick lässt skurrile Charaktere erwachen, die eine Tiefe haben, wie man sie in diesem Genre selten findet. Da wird aus einer ehemaligen schüchternen Sekretärin eine matriarchalische Führerin. Ein erfolgreicher, selbstbewusster Verkäufer zeigt sich als egomanisch pathologischer Fall. Ein Atomforscher lebt mit Schuldgefühlen die sich zu einem psychotischen Wahn steigern. Besonders interessant fand ich Hoppy Harrington, der ohne Gliedmaßen, jedoch mit übersinnlichen Fähigkeiten geboren wurde, rächt sich für alle Schmähungen vor der Bombe.
Eine der größten Stärken von »Nach der Bombe« ist die psychologische Tiefe, die Dick seinen Charakteren verleiht. Jeder von ihnen trägt die Spuren der Vergangenheit und lebt mit den psychischen Narben des Krieges. Dick zeigt, wie die Überlebenden mit ihrer traumatischen Erfahrung umgehen und wie ihre Moral und ihr Verstand durch die Zerstörung geformt werden.

Dick beeindruckt durch seine Fähigkeit, eine beklemmende Atmosphäre zu schaffen, nichtsdestotrotz gibt es genug Anlass zum Schmunzeln. Er webt geschickt surreale Elemente in die Erzählung ein, was dem Roman eine einzigartige Qualität verleiht. Die Grenzen zwischen Realität und Halluzination verschwimmen, und der Leser wird in ein Labyrinth des Unbekannten und der Paranoia gezogen.
Der Schreibstil von Dick ist prägnant und zugleich durchaus poetisch. Er nutzt eine reduzierte Sprache, um die Ausweglosigkeit und Verzweiflung der Figuren zu unterstreichen. Dabei gelingt es ihm, komplexe emotionale Zustände mit wenigen Worten zu vermitteln. Ich wurde in einen Strudel von Gedanken und Gefühlen der Charaktere gezogen und konnte deren Ängsten und Hoffnungen nicht entziehen.

Fazit:

»Nach der Bombe« schafft es, eine bemerkenswerte Tiefe zu erreichen. Die Geschichte entfaltet sich in einem ruhigen, aber dennoch fesselnden Tempo, das es ermöglicht, die subtilen Nuancen der Handlung zu erfassen. Jede Szene ist präzise platziert und trägt zur Gesamtwirkung des Romans bei.
Insgesamt ist der Roman ein Meisterwerk des dystopischen Science-Fiction-Genres. Ein Buch, das mich mit seinen verstörenden Visionen und seiner tiefgründigen Analyse der menschlichen Natur nachhaltig beeindruckte. Eine Lektüre, die man nicht so leicht vergisst.

Das Buch erschien erstmals 1962, auf dem Höhepunkt des kalten Krieges und in diesem Zusammenhang kann es durchaus als Statement gegen die atomare Aufrüstung gelesen werden.

Klappentext:

Eine einzigartige Satire: Noch böser als Stanley Kubricks „Dr. Seltsam“!
Die Erde nach einem verheerenden Atomkrieg: Im kalifornischen West Marin County scheint das Leben weiterzugehen wie bisher – die Menschen gehen zur Arbeit, sehen fern und suchen ihre Psychiater auf. Doch tatsächlich hat sich alles völlig verändert …

Sieben Jahre nach dem Dritten Weltkrieg geht das Leben im idyllischen West Marin County unweit von San Francisco seinen gewohnten Gang – fast so, als wäre die Bombe nie gefallen. Die Menschen treiben einen regen Tauschhandel und setzen nach und nach die Errungenschaften der Technik wieder instand. Wenn da nur nicht dieses Mädchen wäre, dessen Zwillingsbruder in ihrem eigenen Körper heranwächst. Wenn da nicht Hoppy Harrington wäre, ein von einem früheren Atomunfall Schwerstbehinderter, der plötzlich rätselhafte telepathische Kräfte in sich entdeckt. Und wenn da nicht dieser Mann wäre, Dr. Bruno Bluthgeld, ein durchgedrehter Atomphysiker, dem ein Nuklearkrieg offenbar nicht genug ist …
Geschrieben am Höhepunkt des Kalten Krieges, geht Philip K. Dick mit diesem Buch weit über die nukleare Paranoia der 60er Jahre hinaus und entwirft das Bild einer Zivilisation, die der unseren auf erschreckende Weise ähnelt. »Nach der Bombe« ist sein düsterster und zugleich menschlichster Roman.

Bibliografische Angaben:

ISBN: 978-3-4535-3004-1
Verlag: Heyne
Erscheinungsjahr: 1. November 2004
Seiten: 320, Taschenbuch

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Über franzosenleser 80 Artikel
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