EIN EINSAMER ORT- Dorothy B. Hughes

Werbung. Herzlichen Dank an Atrium Verlag für das Rezensionsexemplar.

Hughes’ Kriminalroman führt uns nach Los Angeles in die späten 40er des letzten Jahrhunderts. Dix Steel, ein ehemaliger Jagdflieger, stellt nachts Frauen nach. Als er seinen alten Freund Brub wieder trifft, ist er fasziniert von dessen Arbeit als Detective, der eine Reihe von Morden aufzuklären versucht, und Dix schaut ihm dabei über die Schulter. Es beginnt ein Katz und Maus Spiel, wobei nicht klar ist, wer hier auf der Jagd nach wem ist.

Dix ist ein unangenehmer Zeitgenosse, ein Hochstapler, dessen Leben nach einer erfolgreichen Karriere im Krieg perspektivlos erscheint. Sein Frust, nicht zu den Männern mit Geld zu gehören, denen die Frauenwelt zu Füßen liegt, tropft schier aus jeder Seite. Er ist jähzornig und seine Stimmung schlägt von einer Sekunde auf die nächste um. Doch allem voran steht sein Frauenhass. Dix ist mittellos und arbeitsscheu, da er gern über seine Verhältnisse lebt, ist er auf den monatlichen Scheck seines Onkels angewiesen. Während des Krieges – wo Geld und Einfluss keine Rolle spielten – gelangt er als Jagdflieger zu Ansehen, macht Karriere und fühlt sich frei. Nach dem Krieg fühlt er sich einsam und sieht in den Frauen zunehmend eine Bedrohung, die aus eigener Kraft ihr Leben gestalten. Atypisch für diese Zeit.

Hughes zeichnet hier das klare Bild eines charakterschwachen, paranoiden Protagonisten, der außer Kontrolle gerät. Als gespaltene Persönlichkeit verliebt er sich viel zu schnell und verflucht im nächsten Moment die Frauen, von denen er meint, sie würden ihn durchschauen. Das Buch kommt leise daher, ohne Action, die Spannung köchelt unterschwellig und droht jederzeit zu explodieren, genau wie Dix Steel. Hughes Schreibstil ist elegant und kompromisslos, sie lässt uns in die kranke Seele eines Serienmörders blicken, aus dessen Perspektive die Geschichte erzählt wird.

Der Kriminalroman wurde 1947 geschrieben. Eine Zeit, die von Hardboiled Krimis geprägt ist. Hartgesottene Privatdetektive und Polizisten dominieren das Spannungsgenre. Frauen haben bestenfalls als Femme fatal einen Auftritt. Denken wir an Philip Marlowe von Raymond Chandler. Hughes Romane lassen sich zwar diesem Genre zuordnen, aber sie stellt die bestehenden Konventionen auf den Kopf. Sie erschafft einen Homme fatal, der den Frauen unterlegen ist und am Ende kapituliert.
Aber sie ist auch in anderer Hinsicht eine Pionierin. Sie schreibt aus der Sicht eines Serienmörders, den wir hier in all seinen abwegigen Gedanken und Handlungen folgen. Dennoch verzichtet sie auf reißerische Morddetails, wie es später in Psychothrillern gang und gäbe ist. In ihrem tiefgründigen Kriminalroman schreibt sie tatsächlich viel zwischen den Zeilen, dass manches erst Tage später für mich deutlich wurde.

Ich denke, dass das Buch sicher nicht für alle Leser von Krimis empfehlenswert ist. Eine gewisse Vorliebe für die klassischen Vertreter sollte man mitbringen, um das Buch zu genießen. Ich bin ein großer Fan von Hammett, McDonald, Chandler und Co, die allerdings, wie oben beschrieben, die klassischen Geschlechterverhältnisse der damaligen Zeit beschreiben. Genau aus dem Grund war es ein unterhaltsames Vergnügen, Hughes Sichtweise kennenzulernen, die als Pionierin in ihrem Genre gilt und alte Geschlechterrollen aufbricht.
Danke an den Atrium Verlag, der dieses einmalige Werk neu übersetzen ließ.

Über die Autorin

Dorothy Hughes wurde 1904 in Kansas City geboren und starb 1993 in Oregon. Sie gilt als eine der wichtigsten weiblichen Vertreterinnen der Hardboiled Literature und Krimi Noir. Insgesamt schuf sie 14 Kriminalromane, »Ein einsamer Ort«, ihr erfolgreichstes Buch, wurde 1950 mit Humphrey Bogart verfilmt.

Bibliografische Angaben

ISBN: 978-3-85535-126-8
Verlag: Atrium Verlag
Erscheinungsjahr: August 2022
Übersetzung: Gregor Runge
Seiten: 267, Hardcover

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Es kommt darauf an, einem Buch im richtigen Augenblick zu begegnen. Hans Derendinger

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