DIE INSCHRIFT – Andrea Camilleri

Camilleri hat nie eine Gelegenheit versäumt, sich mit seinen schärfsten Gegnern anzulegen, der Mafia und den Faschisten in Italien. In dieser nur 58 Seiten langen Satire rechnet er mit Letzteren ab und nimmt wie immer äußerst humorvoll die menschlichen Unzulänglichkeiten auf Korn.
1940 sind die Faschisten auch in Sizilien an der Macht. Michaele Ragusano wurde aus dem Gefängnis entlassen und taucht in seinem alten Verein auf. Doch dort ist er nicht mehr gern gesehen, weil er das faschistische System diffamiert hat und deshalb ausgeschlossen wurde. Doch seine Frau hat den Mitgliedsbeitrag jeden Monat weiterhin bezahlt. Als man ihn vor die Tür setzen will, schaltet sich der 97-jährige Don Persico ein, vor dem alle höchste Achtung haben. Ein kurzer Wortwechsel und Persico fällt tot um.
Ragusano wandert wieder ins Gefängnis und Persico wird als Märtyrer gefeiert. Seine bildschöne und blutjunge Witwe bekommt eine »Vorzugspension für Gefallene im faschistischen Kampf« und nach ihm soll eine Straße benannt werden. Seine Witwe lässt sich anschließend trösten, nur leider nicht vom Richtigen. In seiner Eitelkeit gekränkt kramt dieser in Persicos Vergangenheit, die letztlich doch nicht ganz so rühmlich war, wie es aussah. Die zutage geförderten brisanten Details sorgen dafür, dass der ganze Ort kopfsteht.

In gewohnter Leichtigkeit erzählt Camilleri uns eine Geschichte von Doppelmoral und Eitelkeit, von der Verlogenheit des faschistischen Systems. Von der Inszenierung falschen Heldentums und wie weit man sich die Wahrheit zurechtbiegen kann, um weder das Gesicht noch die Macht zu verlieren. Auch wenn man sich während des Lesens das Lachen nicht verkneifen kann, geht es doch schlussendlich um ein Thema, das an Aktualität nichts verloren hat. Wie immer meine Empfehlung, lest Camilleri.

Klappentext

11. Juni 1940. Michele Ragusano betritt das Haus des faschistischen Vereins, in dem er einst Mitglied war. Der Empfang fällt frostig aus: Ragusano war zuvor wegen «systematischer Diffamierung des ruhmreichen faschistischen Regimes» zu fünf Jahren Verbannung verurteilt worden. Prompt gerät er mit Persico aneinander, einem glühenden Faschisten, der zusammenbricht und einen tödlichen Schlaganfall erleidet. Persico wird feierlich begraben. Er wird als Märtyrer des Faschismus gefeiert, eine Straße soll nach ihm benannt werden. Doch dann kommt ein pikantes Detail aus Persicos Vergangenheit ans Licht, das ein ganzes Städtchen, mitten im Krieg, in großen Aufruhr versetzt …

Bibliografische Angaben

ISBN: 978-3-462-40676-3
Verlag: Kindler Verlag
Erscheinungsjahr: 2018
Übersetzung: Annette Kopetzki
Seiten: 75, Hardcover

Über den Autor

Andrea Camilleri (1925–2019), in dem sizilianischen Küstenstädtchen Porto Empedocle (Provinz Agrigento) geboren, war Schriftsteller, Drehbuchautor und Regisseur sowie langjähriger Dozent an der Accademia d’arte drammatica Silvio D’Amico in Rom. In seinem umfassenden literarischen Werk setzte er sich vornehmlich mit seiner Heimat Sizilien auseinander. Seine Romane um den beliebten Kommissar Salvo Montalbano wurden international zu Bestsellern, und seine Hauptfigur gilt weltweit als Inbegriff für sizilianische Lebensart, einfallsreiche Kriminalistik und südländischen Charme und Humor.

Kein anderer vermag es, die italienische bzw. sizilianische Seele einzufangen wie Camilleri. Er galt als kritische Stimme Italiens, scheute sich nie heikle politische und gesellschaftliche Themen anzusprechen wie Korruption, und das organisierte Verbrechen. Nicht selten bekommt es auch sein Kommissar mit der allmächtigen Mafia als Gegner zu tun und zögert nie, sich ihr entgegenzustellen. Camilleri, immer besonnen und ruhig, scheute sich auch nicht davor, sich mit dem Innenminister Salvini anzulegen.
Zeit seines Lebens hatte ein Herz für die einfachen Menschen und ist vor allem ein großer Genießer der sizilianischen Küche, was sich in Montalbano widerspiegelt.
Über 100 Bücher hat Camilleri geschrieben, allein in Italien wurden seine Bücher mehr als 20 Millionen Mal verkauft, außerdem wurden sie in etwa 30 Sprachen übersetzt. Etliche Romane wurden verfilmt.
In seinem Testament hat er verfügt, dass ein Montalbano-Krimi, den er bereits vor 20 Jahren geschrieben hat, erst postum veröffentlicht werden darf. Wir dürfen also gespannt sein.
Nach Umberto Eco ist mit Andrea Camilleri einer der größten Literaten Italiens gestorben.

Weitere Romane des Autors findet ihr hier.

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Es kommt darauf an, einem Buch im richtigen Augenblick zu begegnen. Hans Derendinger

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