Du darfst nicht alles glauben, was du denkst – Kurt Krömer

Kurt Krömer – Du darfst nicht alles glauben, was du denkst
erschienen bei KiWi-Verlag (2022)

Stell Dir vor du bist bei »Chez Krömer«, der Sendung eingeladen. Du sitzt im Studio, wartest, Krömer fragt dich durch die Sprechanlage, ob du bereit bist. Dann schaltet er den schnarrenden Alarm der Tür mehrmals an und aus, hantiert an den Schlössern und kommt wie ein fahriger Beamter mit seinen Akten herein, setzt sich und grinst dich an. Und dann fängt er zu reden an, in typischer Krömer-Manier, doch er hört nicht auf, er stellt dir keine Frage. Er redet und redet und das kann er auf sehr unterhaltsame Weise.
So habe ich den Erzählstil des Buches empfunden. Leicht lesbar, locker flockig. Und er berichtet (ja es hat auch etwas von berichten, dieses Wort habe ich mit Absicht gewählt) mit großem emotionalen Abstand von seiner Depression. Stellenweise ist hintergründiger Humor im Spiel. Das verwirrte mich zunächst, diese Distanz. Und doch stellte ich fest, dass genau dieser Abstand zum erlebten Schmerz notwendig ist, damit das Buch funktioniert. Emotionale Nähe zu den Nöten eines von Depressionen Geplagten erreicht nicht die Masse. Pure Ernsthaftigkeit bei dem Thema ebenfalls nicht, das Buch soll, ja muss, auch unterhalten. Also hat Krömer auch hier alles richtig gemacht.

Über den Inhalt muss ich nicht viel sagen, lest es! Krömer erzählt in kurzen Kapiteln Episoden aus seinem Leben und nach und nach ergibt sich ein Bild seiner Depression. Dass er sich dabei ein paarmal wiederholt, macht gar nichts, so vervollständigt sich das Bild. Im zweiten Teil des Buchs erzählt er von seiner Therapie in der Tagesklinik und seinem Leben danach.

Mein Schlusswort geht an Alexander Bojcan, dem Menschen hinter dem Künstlernamen kurt_kroemer_berlin : Danke, dass du deine Bekanntheit nutzt und das Thema in den gesellschaftlichen Fokus rückst. Unsere Beschwerden werden leider viel zu oft nicht ernstgenommen. Nicht von uns selbst und nicht von anderen. Vielleicht ändert sich durch dein Buch daran etwas.

Beim Lesen solcher Bücher, die die individuellen Erlebnisse einer Person beschreiben kann es zu Missverständnissen kommen. Deshalb gibt es hier noch den »Beipackzettel für Nichtdepressive«.

Beipackzettel für Nichtdepressive

Jede Depression ist anders und Kurt Krömer hat über seine eigene Depression geschrieben. Das muss man sich vor Augen halten, besonders wenn man nicht viel über Depressionen weiß. Verallgemeinert seinen Aussagen nicht und schließt nicht vom Buch auf die Probleme von Leuten mit Depressionen, die ihr vielleicht kennt.

Kurt Krömer hat offensichtlich das Glück gehabt, relativ schnell die richtige Hilfe zu bekommen. Vor allem das folgende Zitat vom Ende des Buchs kann – wenn man vergisst, dass es speziell um Krömer geht – falsch verstanden werden:

»Ich gehe dann zu meinem Psychiater, der wird mir wieder mein Antidepressivum verschreiben und nach zwei Wochen macht es dann »peng« und ich bin medikamentös wieder gut eingestellt.«

Lasst euch nicht verleiten zu denken, jedem kann schnell mit Medikamenten geholfen werden. Die verschiedenen Medikamentengruppen helfen jeweils in recht niedrigen Prozentzahlen. Manche Medikamente helfen dem einen und dem anderen leider nicht. Und eine nicht unerhebliche Anzahl von Patienten helfen Medikamente gar nicht oder nur bedingt.
Und doch ist es immer wieder das, wir Depressiven zu hören kriegen: Nimm einfach Tabletten und alles ist gut. Es ist eines der Stigmata, die uns entgegenschlagen (schlagen im wahrsten Sinne des Wortes), mal aus Unverständnis, mal aus Hilflosigkeit, aber immer unterstellend, wir würden gegen diese beschissene Depression nicht (genug) ankämpfen.

Danke.

Kennst du jemand, der vielleicht Hilfe braucht? Oder du selbst brauchst Hilfe? Schau mal hier:

www.deutsche-depressionshilfe.de

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"Es gibt nur einen Weg, um Kritik zu vermeiden: Nichts tun, nichts sagen, nichts sein" Aristoteles

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