Das Buch des Löwen – Roland Reber

»Und als die Tage des Löwen zu Ende gingen, kamen die Monate des Lammes. Und man schlug die, die stark gewesen waren, und man erhörte nur noch die, die gefolgt waren dem Metzger, der sie rief.«

Die Tage des Löwen, Roland Reber

So fängt die Geschichte an – und so geht sie weiter. Jetzt sitze ich mit einer großen Frage hier. Gerne möchte ich meinen Leseeindruck mit der Welt teilen, doch wie soll ich es anstellen? Dieses Buch, nein Büchlein, ist so gewaltig, da steht so viel drin, dass es mich fast erschlagen hat.
Nachdem ich es gelesen hatte, war ich mir sicher: Dieser Text ist reiner Bullshit oder eben absolut genial. Schnell tendierte ich zum Zweiteren. Mich erinnerte es an eine gewaltige Schöpfungsgeschichte, auch der Schreibstil erinnert an die Bibel, genauer an das Alte Testament, was auch noch durch die Unterteilung in Verse unterstützt. Wort- und tatgewaltig ist der Text, leicht lesbar und von einer ganz eigenen Schönheit. Doch ich hatte das Gefühl, ich habe den Sinn noch nicht verstanden, was will uns Roland Reber mit diesem Text sagen? Eine Metapher auf die menschliche Schöpfung und Entwicklung? Ich las es noch einmal. Diesmal erkannte ich eine Geschichte von Machtausübung, von dummer Obrigkeitsgläubigkeit dem Auf- und Niedergang von Gesellschaftssystemen. Auch eine kleine Geschichte der Menschheit.
Ich war verwirrt wegen meiner Unklarheit und ihr ahnt es, ich musste es noch einmal lesen. Was ich las, war eine Geschichte der institutionellen Kirchen, blindem Glauben und dessen Folgen. Ich war besessen vom Text, ich musste dem auf den Grund gehen. Während ich versuchte herauszubekommen, was der Autor mit diesem Text sagen will, las es mein Sohn.

»Und?«
»Es ist ein Gleichnis gegen den Krieg, Gewalt und Unterdrückung.«

Im Kern geht es bei jeder möglichen Interpretation um Macht, Ohnmacht, Unterwerfung und Dummheit. »Gelobt seist du, Metzger, der uns holt. Und heilig, heilig sei die Stätte, auf der wir unser Blut vergießen am Tage des Todes.«

Die Tage des Löwen, Roland Reber

Doch was sagte nun der Autor zu der Bedeutung seines Textes?

»Die Deutung liegt bei jedem selbst!«

Roland Reber über seinen Text

Unbestritten ist der Text höchst symbolisch, ein fabelhaftes Gleichnis. Eine Fabel ohne Zweifel, denn es kommen nur Tiere darin vor, auch wenn eines davon das »Tier Mensch« ist.
Ich habe mich an diesem Text ergötzt, er hat mich zum Nachdenken gebracht, er hat mich fasziniert. Unterhaltung? Ja, der Text hat mich auch unterhalten, doch wer die reine Unterhaltung sucht, der ist mit diesem Text schlecht beraten. Die wahre Freude an diesem Büchlein werden jedoch alle haben, die gerne außergewöhnliches lesen, die Sprache lieben und die philosophisch in Texte eintauchen möchten.

Ergänzt ist der Text mit passenden Illustrationen der Künstlerin Ute Meisenheimer. Außerdem enthalten sind weitere kurze Texte und Gedanken des Autors, allen voran das unvollständige »Buch der Prophezeiungen«. Rebers literarischer Nachlass, den ich jedem Literaturfreund wärmstens ans Herz legen möchte.

Ich bekam das Taschenbuch von einer lieben Freundin geschenkt, der ich ganz herzlich für diese anregenden Stunden mit diesem Buch danke!

Klappentext:

30 Jahre vor ChatGPT. Ein Buch schreibt sich selbst. Eine Nacht im Jahr 1992.
Etwas möchte zu Papier gebracht werden. Roland Reber setzt sich an den Computer, lässt seinen Fingern und Gedanken freien Lauf. »Das BUCH des LÖWEN hat sich quasi selbst geschrieben«, so Reber über diesen symbolischen Text. »Die Deutung liegt bei jedem selbst.«

Ist es schon Tatsache oder noch Prophezeiung?

Mit Illustrationen der Künstlerin Ute Meisenheimer und weiteren Texten und Gedanken.

Und der Löwe, der über alle Lust gebietet, antwortete den Menschen: »Nicht zu verehren verlange ich, sondern zu begreifen. Ihr aber verwandelt meine Tat in Lehm und meine Kraft in Gesetze und meine Lust in Regelwerk. Seht
ihr nicht die Fische oder die Vögel, ja seht ihr nicht den einfachen Wurm in der Erde? Alle nehmen die Lust zum Leben, aus dem der Tod wie ein Bruder heraustritt, als Natur an. Ihr aber, ihr Dummen, baut Steine um die freie Luft und Mauern um das Feld des Feuers. Wie wollt ihr atmen in euren Kerkern, wie wollt ihr euch wärmen hinter all den Wällen aus Stein?«

Bibliografische Angaben:

ISBN: 978-3-910480-04-9
Verlag: WTP-Verlag
Erscheinungsjahr: 27. April 2023
Seiten: 131, Taschenbuch

Übrigens: Kauft Eure Bücher doch im örtlichen Buchhandel, so tragt ihr mit dazu bei, dass es auch weiterhin einen Buchhandel vor Ort gibt und auch das Spektrum an Büchern eine hohe Diversität aufweist. Wenn ihr es bestellt, dann macht das doch beim Verlag, gerade kleine Verlage sind darauf angewiesen und der Direktverkauf trägt zu ihrem wirtschaftlichen Überleben bei.

Den WTP-Verlag findet ihr im Internet: https://www.wtp-verlag.de/

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Über franzosenleser 76 Artikel
"Es gibt nur einen Weg, um Kritik zu vermeiden: Nichts tun, nichts sagen, nichts sein" Aristoteles

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