UNSCHULD – Takis Würger

Werbung. Herzlichen Dank an Penguin Verlag für das Rezensionsexemplar.

Molly Carver bleiben 35 Tage, um die Unschuld ihres Vaters zu beweisen.

Molly lebt mit ihrem Onkel Mick in New York und verdient sich ihren Lebensunterhalt als Putzkraft. Im Alter von 5 Jahre wird sie von ihrer Mutter verlassen und wächst bei ihrem Vater Florentin Carver in einem Wohnwagen auf. In der gleichen Stadt, in der auch die Rosendales leben, bei denen er als Automechaniker arbeitet. Als Molly 13 ist, gesteht ihr Vater den Mord an dem 16-jährigen Sohn der Rosendales. Molly glaubt an die Unschuld ihres Vaters. 35 Tage hat sie nur noch Zeit, Beweise dafür zu finden, sonst wird er mit der Giftspritze hingerichtet. Sie schleicht sich als Hausmädchen unter falschen Namen bei den Rosendales ein. Doch Jonathan Rosendale, der Vater des toten Casper, kennt ihre wahre Identität.

„Geld macht nicht traurig, das sagen nur Menschen, die keins haben. Traurig machen Menschen.“ S.74

Takis Würger skizziert zwei dominierende Gesellschaftsschichten der USA. Molly Carver, die in ärmlichen Verhältnissen in einem Trailer Park in der gleichen Stadt aufwächst, wie die Rosendales, von denen es heißt, sie seien einmal einflussreicher als die Rockefellers gewesen.
Klar und reduziert auf das Wesentliche, wobei die Gefühle hier nicht zu kurz kommen. Ich hatte große Sympathien für Molly, aber auch für deren Vater, der als handelnde Figur eigentlich nur kurz auftaucht, aber eine Wucht an Liebe und Aufopferung für seine Tochter zurücklässt.

„Dieses Stottern. Dieses Gefühl, dauerhaft innerlich verdreht zu sein … Umwege zu suchen. Über sich selbst zu stolpern.“ S. 172

Molly ist alles andere als fehlerfrei, sie ist schüchtern und zurückhaltend. Weil sie Angst hat, zu stottern, vermeidet sie es bereits als Kind, mit anderen Menschen zu sprechen. Das macht sie zur Außenseiterin und nicht unbedingt zur Heldin, die sie aber sein muss, um ihren Vater zu retten. Der einzige Weg, der ihr noch bleibt, ist die Rückkehr in ihren Heimatort.

„Heimat war für Molly ein Ort, an dem sie hoffte, niemand würde sie wiedererkennen.“ S. 105

Auf der anderen Seite steht Jonathan Rosendale, seine Familie zählt zu den vermögendsten und einflussreichsten in der Gegend. Er ist Waffennarr und Verfechter des 2. Zusatzartikels der Verfassung, der jedem Bürger des Landes gestattet, jederzeit eine Waffe bei sich zu tragen, um sich verteidigen zu können.

Wir erleben die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven. Hauptsächlich aus Mollys Sicht in der aktuellen Zeit und Caspers Sicht, 10 Jahre zuvor, neunzig Tage vor dessen Tod. Die wechselnden Sichtweisen treiben die Spannung im Wesentlichen voran und man liest es fast wie einen Krimi. Dabei spielte es für mich keine Rolle, dass ich recht früh wusste, wohin die Reise geht und wer Caspers Mörder war.
Denn Dreh- und Angelpunkt der Geschichte sind die Beziehungen der Menschen untereinander. Zwei Familien, zwei Gesellschaftsschichten, die nicht unterschiedlicher sein könnten, emotional und authentisch porträtiert von Takis Würger, der damit die Widersprüche einer Gesellschaft aufzeigt und uns hinter die schillernden Fassaden blicken lässt.

Ebenfalls thematisiert wird die hohe Medikamentenabhängigkeit in den USA. Gezeigt wird da unter anderem an den Rosendales aber auch an Molly selbst, die unter großen Ängsten leidet und deshalb zu betäubenden Medikamenten greift.

Takis Würger hat für die Recherche drei Monate in den USA gelebt und dort die Schauplätze seines Romans besucht. Rosendale, den Diner mit den besten Blaubeerpfannkuchen gibt es also wirklich, auch wenn alles andere Fiktion ist.

Nach Noah konnte mich auch Unschuld zu 100% überzeugen.

Klappentext

Molly Carver bleiben fünfunddreißig Tage, um die Unschuld ihres Vaters zu beweisen. Seit Jahren sitzt er für den Mord an dem sechzehnjährigen Casper Rosendale im Gefängnis – nun soll das Urteil vollstreckt werden. Auf der Suche nach Antworten kehrt Molly zurück in das Ostküstendorf ihrer Kindheit. Unter falschem Namen beginnt sie, als Hausmädchen für die Rosendales zu arbeiten, eine Familie, die einmal einflussreicher war als die Rockefellers …

Emotional und eindringlich zeichnet Takis Würger das Portrait einer Gesellschaft voller Widersprüche und zeigt uns, was sich wirklich hinter den schillernden Fassaden dieser Welt abspielt.

Über den Autor

Takis Würger, geboren 1985, berichtet als Journalist für das Nachrichtenmagazin Der Spiegel u. a. aus Afghanistan, Libyen und dem Irak. Mit seinen Reportagen gewann er zahlreiche Preise, darunter den Deutschen Reporterpreis und den CNN Journalist Award.

Mit 28 Jahren ging er nach England, um an der Universität von Cambridge Ideengeschichte zu studieren. 2017 erschien sein Debütroman Der Club, der für den aspekte-Literaturpreis nominiert war und mit dem Debütpreis der lit.Cologne ausgezeichnet wurde.

Bibliografische Angaben

ISBN: 978-3-328-60168-5
Verlag: Penguin Verlag
Erscheinungsjahr: 26. Oktober 2022
Seiten: 304, Hardcover


Weitere Werke

DER CLUB – Hardcover bei Verlag Kein & Aber, 2017
STELLA, Originalverlag Hanser Verlag 2018, Taschenbuch bei Goldmann Verlag
NOAH – VON EINEM DER ÜBERLEBTE – Hardcover bei Penguin Verlag, 2021

Avatar-Foto
Über ein.lesewesen 272 Artikel
Es kommt darauf an, einem Buch im richtigen Augenblick zu begegnen. Hans Derendinger