WODKA MIT GRASGESCHMACK – Markus Mittmann

Zu viert machen sie sich in einem VW Beetle auf den Weg nach Osten. Zum ersten Mal seit ihrer Vertreibung wagen sich die Eltern zurück in die Dörfer ihrer Kindheit.

»Für meinen Bruder und mich ist es eine Fahrt in ein fremdes Land, für meine Eltern aber in ein fremd gewordenes Land.« S. 43

Die Söhne kennen es nur von alten Fotos und aus Erzählungen. Für die Eltern ist es eine Reise in ihre Vergangenheit, in ihre unbeschwerten Kindheitstage bis sie nach dem Zweiten Weltkrieg zwangsweise ihre Heimat verlassen mussten.
Humorvoll aber auch nachdenklich erzählt Markus Mittmann aus Sicht des Sohnes, wie es sich für seine Eltern anfühlt, in eine Heimat zurückzukommen, die keine mehr ist. Wenn alte Erinnerungen aufflackern, Tränen nicht mehr zurückgehalten werden und Geschichten von schönen und schrecklichen Zeiten an die Oberfläche gespült werden. Wenn sich Vergangenheit und Gegenwart vermischen.
In kleinen Anekdoten nimmt uns der Autor mit in die Vergangenheit, zeigt uns Bilder von einem neuen, modernen Polen und kommt zu dem Schluss, dass die Deutschen und Polen sehr wohl eine gemeinsame Geschichte haben.

Eine eindrückliche Geschichte, die wohl für alle ein bisschen nachvollziehbar ist, deren Eltern oder Großeltern nach dem Krieg flüchten mussten. Meine Oma sagte immer: »Rausgeschmissen haben uns die Tschechen und für die Deutschen waren wir nur Gesindel.«

Wie sich doch die Geschichten der Geflüchteten immer gleichen. Jeder versuchte immer, etwas von seinem Hab und Gut zu retten. Schmuck wurde irgendwo vergraben und liegt vielleicht heute noch dort. Vielleicht auch der von meiner Oma. Vielleicht auch der von vielen, die aus der Ukraine geflüchtet sind?

Ich habe das Buch wirklich genießen können, weil Markus Mittmann einen angenehmen Schreibstil hat, der mal ausschweifend, mal auf dem Punkt ist. Ein Stück Geschichte, die bewegt, weil sie so tief in uns verwurzelt ist.

Klappentext

Ein VW-Beetle, die Autobahn Richtung Osten, eine Reise zu viert, eine Familie. Erstmals seit ihrer Vertreibung wagen sich die Eltern in die Dörfer ihrer Kindheit, die Söhne dagegen in eine geheimnisvolle Welt, ein Gespinst aus Erzählungen und Vorstellungen. Die Spurensuche an Orten und in verdrängten Erlebnissen beginnt. Ob in der Enge des Autos oder bei Schweinebauch und Kraut, immer erkennbarer wird das Erinnern zum Verstehen und die Fahrt zu einer Suche nach Grenzlinien, die nur auf dieser Entdeckungsreise überschritten werden können, jetzt und nur noch ein einziges Mal. Oder nie! Eindringlich, bildhaft und voller Leben, in mitreißenden Gegensätzen, gewürzt mit entlarvendem Humor erzählt Markus Mittmann eine Geschichte von heute, wirft dabei die unausweichliche Macht der Vergangenheit mit der Gegenwart und Zukunft in einen Topf und rührt kräftig um. Eine Geschichte, die bewegt, weil sie so tief in uns verwurzelt ist.

Bibliografische Angaben

ISBN: 978-3-948442-00-2
Verlag: Kiener Verlag
Erscheinungsjahr: 2019
Seiten:254, Taschenbuch

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Es kommt darauf an, einem Buch im richtigen Augenblick zu begegnen. Hans Derendinger

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