psst … von Roland Reber

Was soll man zu so einem Buch sagen? Als was soll ich es vorstellen? Also überlasse ich es dem Verlag: Gedichte. Gedanken. Geschichten. Und das trifft es ganz gut, Bilder und Hören könnte man noch dazusetzen. Ja, auch hören. Überall im Buch sind kleine QR-Codes verteilt hinter denen sich ein Link versteckt und mit denen könnt ihr manche Inhalte auch anhören und Videos sehen. Also ein ganz und gar unübliches Buch – was auch nicht verwundert, als Filmemacher war Roland Reber zeit seines Lebens anerkannt, seine Filme waren fern des Mainstreams und – so wie sein Buch – etwas ganz Besonderes. Nur wenige Tage vor Erscheinen des Buches verstarb Roland Reber.
Doch zurück zum Buch und meinem Leseerlebnis. Im November und Dezember ist meine Zeit meist knapp bemessen, da ich dann in meinem Brotjob besonders viel zu tun habe. Trotz meines ständigen Lesedrangs komme ich da kaum zum Lesen, doch dieses Jahr lag dieses Buch neben meinem Nachttisch. Für mich war es die perfekte Möglichkeit runterzukommen, nachdem ich 12-14 Stunden gearbeitet hatte. Es ist kein Buch, das man liest, von vorne nach hinten, es ist eines jener Bücher, in denen man blättert, Seiten betrachtet, ein Gedicht oder einen Gedanken wirken lässt.
Ich war beeindruckt von seinen Gedichten, die nachdenklich, skuril oder liebevoll daherkommen.
Manchmal musste ich schmunzeln ob der Wortwahl.
Manchmal erfasste mich eine leichte Melancholie.
Manchmal sah ich mir nur die Bilder aus 4 Jahrzehnten an.
Manchmal versuchte ich, die handschriftlichen Notizen zu entziffern.
Manchmal, da sah ich nach, was sich hinter dem QR-Code verbirgt.

Mich wird dieses Buch sicher noch lange begleiten, es liegt immer noch neben meinem Bett und ich nehme es weiter zur Hand.
Faszinierend fand ich des Autors Gedanken darüber, warum er schreibt, eine ganz andere Motivation, als meine eigene und zum ersten Mal konnte ich sie verstehen. So könnte ich noch über ganz viel aus diesem Buch berichten, doch ihr solltet es selbst lesen.

Fazit

Eine ganz klare Leseempfehlung für alle, die Gedichte abseits des Üblichen mögen, die sich für ausgefallene Wortkunst interessieren und die bereit sind, sich von diesem Buch treiben zu lassen. Für alle, die Roland Rebers Filme mögen, ihn als Regisseur achten, ist dieses Buch ebenfalls geeignet. Es gewährt uns einen kleinen Einblick auf den Menschen, der hinter den Filmen steht.

Einblicke in das Buch

Klappentext

Das multimediale Buch präsentiert ein Gesamtkunstwerk aus Prosa, Lyrik und Fotografie, es enthält handschriftliche Originale, Video-und Audioaufnahmen der Texte, die über QR-Codes oder Links angesehen werden können. Von autofiktionalen Comedy-Nummern bis zu den großen – und auch den kleinen – Themen des Lebens, geht es in Rebers Textsammlung um Selbstbestimmung, um Einsamkeit, es geht um Tod, um Selbstironie und Träume, Fern- und Heimweh – und vor allem um die Liebe: die unerhörte Liebe, die verlassene Liebe, die verschlissene, die beengende Liebe, die verzweifelte Liebe, die gelebte oder nichtgelebte Liebe, die Liebe bis zum Punkt der absoluten Aufgabe.
Roland Rebers Sicht auf seine Außen-und Innenwelt landete immer irgendwann auf einem Stück Papier, einem Bierdeckel oder einer Serviette, um dann in einem Theaterstück, Roman, Film oder manchmal auch nur in einer Kiste zu landen. »psst …« ist nicht nur eine ganz persönliche Zeitreise durch mehr als 4 Jahrzehnte Rebers künstlerischen Schaffens, sondern auch eine Zeitreise durch die gesellschaftlichen Themen dieser Zeit und bleibt dabei erstaunlich aktuell – Rassismus, Krieg, Revolutionen. „Was wir brauchen ist die Revolution des Geistes. Wenn es keine Dummen mehr gibt, die man dumm hält, wenn jeder ein Wissen hat, wenn jeder sich begreift, wenn jeder die Welt ein bisschen begreift, dann kann man nicht mehr so viele wie Lämmer in den Tod führen. Und das wird die einzige Revolution sein, die wirklich Erfolg hat. Nicht die Revolution der Bomben, sondern die Revolution der Hirne, die Revolution des Wissens.“ (Roland Reber im Interview) psst … ist Roland Rebers letztes Werk. Er starb einen Tag, bevor das Buch in Druck ging. Friedlich, denn in diesem Buch steht vielleicht all das, was er noch zu sagen hatte. Wir müssen nur noch zuhören. Also psst … lassen wir die Texte sprechen …

Bibliografische Angaben

ISBN: 978-3-910480-00-1
Verlag: wtp-verlag
Erscheinungsdatum: 11.11.2022
Seiten: 300, Hardcover mit 182 Abbildungen

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Über franzosenleser 76 Artikel
"Es gibt nur einen Weg, um Kritik zu vermeiden: Nichts tun, nichts sagen, nichts sein" Aristoteles

2 Kommentare

  1. Als langjähriger Freund und Bewunderer von Roland war dieses Buch für mich eine Offenbarung im Hinblick auf die Zeit, in der wir uns nicht kannten, als er auf der Bühne stand und ich kleine Geschichten in die Poesiealben meiner Klassenkameraden schrieb. Das Buch hat mir Fragen beantwortet, die ich bis dahin nie gestellt hatte und darüber bin ich sehr froh. Es ist unkonventionell, schwierig, manchmal pathetisch, mitunter trivial, es entspricht eben voll und ganz dem Wesen von Roland Reber. Ein wunderschönes Abschiedsgeschenk an die Welt. Mein besonderer Dank gilt Mira Gittner, die in liebevoller Akribie diese Kleinode zusammengetragen hat.

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