WAS AUF DAS ENDE FOLGT – Chris Whitaker

Nach langer Zeit habe ich mich endlich Whitakers Debüt gewidmet. Nachdem »Von hier bis zum Anfang« eins der besten Bücher in diesem Jahr für mich war, hatte ich natürlich hohe Ansprüche.

In der idyllischen kalifornischen Kleinstadt verschwindet eines Nachts der 3-jährige Harry Monroe. Seine Mutter Jess sucht ihn auch weiterhin verzweifelt, als nach 3 Monaten die Suche der Polizei erfolglos blieb. Das Bestürzen ist groß in Tall Oaks, aber alle haben ihre eigenen Geheimnisse, die sie geschickt verbergen, und so werden sie alle zu Verdächtigen. Die ungeheuerlichen Dinge, die aufgedeckt werden, verändern die Stadt für immer.

Für mich war es kein leichter Einstieg und das ist auch das Einzige, das ich bemängeln möchte. Wie kann man nur so vielen Figuren einen Namen mit J verpassen? Na gut, irgendwann hab ich mich dran gewöhnt, so etwa in der Hälfte des Buches. Und es sind auch nicht gerade wenige Figuren, aus deren Perspektive die Geschichte geschrieben ist, aber das hat es für mich nur noch interessanter gemacht. Ich sollte vielleicht betonen, dass es kein Krimi ist. Hauptprotagonist in diesem Spannungsroman ist Tall Oaks und der Bewohner, der Umgang, den sie miteinander pflegen, die Ausgrenzungen, die Geheimnisse voreinander, die Symbiose im Allgemeinen. Genau das hat für mich die Spannung in dem Buch ausgemacht. Whitaker hat es verstanden, die Wahrheiten tröpfchenweise ans Licht zu bringen, was zu einigen interessanten Wendungen geführt hat. Trotzdem habe ich ständig gegrübelt, wer nun der Schuldige ist, denn die meisten hatten einiges zu verbergen. A gipfelt in einem absolut unerwarteten Ende, das man erstmal verdauen muss.

Die Bewohner von Tall Oaks sind allesamt Klischees, was ich in dem Fall sehr gut nachvollziehen kann, weil amerikanische Kleinstädte nun mal genau das sind, konservativ, verschlafen, mit akkurat gestutzten Vorgarten und einer Menge Vorurteilen. Da ist der Polizist Jim, der sich über die Maße für die Bewohner einsetzt; Jerry, der dicke und etwas zurückgebliebene Sohn einer tyrannischen Mutter, der 13-jährige Manny, der unbedingt eine Gangsterkarriere anstrebt; Jess, Tochter aus besseren Verhältnissen, die es nicht verwindet, von ihrem Mann verlassen worden zu sein; ein schwuler Florist; Jared, der nach außen perfekte Autoverkäufer, der auf der Flucht ist und noch einige mehr. Am Ende stecken sie aber alle in ihren eigenen Problemen fest, so dass sie Jess, die weiterhin Plakate von Harry an die Bäume klebt, nur noch mitleidig beobachten. Das mag für einige sicher zu viel Klischee sein, für mich war es das perfekte Porträt einer Kleinstadt.
Ich mochte den zuweilen humorvollen Ton, hatte Mitleid mit einigen und hatte manchmal Pipi in den Augen. Was will man mehr von einem Buch?
Dennoch bleibt »Von hier bis zum Anfang« mein Favorit, was aber auch zeigt, dass der Autor noch eine Schippe draufgelegt hat. Klare Leseempfehlung von mir.

Klappentext

Ein Kind verschwindet, eine Mutter verzweifelt – und eine ganze Stadt stürzt in die Krise.

Tall Oaks ist eine perfekte kalifornische Kleinstadt. Jeder kennt jeden und das Böse ist hier fremd. Die idyllische Fassade bekommt Risse, als der dreijährige Harry Monroe eines Nachts spurlos verschwindet. Trotz des riesigen Medienrummels und der besessenen Polizeiarbeit bleibt sein Schicksal ein Rätsel. Harrys verzweifelte Mutter stürzt sich in eine Suche, die mit jedem Tag aussichtsloser erscheint, während sie ihre Trauer mit Alkohol und Männern zu betäuben versucht. In Tall Oaks ist nichts mehr, wie es war. Hinter ihrem Mitgefühl verbergen die Bewohner eigene Geheimnisse. Jeder in Tall Oaks wird zum Verdächtigen und ungeheuerliche Dinge kommen ans Licht, die die Stadt für immer verändern …

Pressestimmen

„Ein absolutes Vergnügen. Sehr originell.“ GUARDIAN

„Es ist selten, dass ein Roman sowohl grandios komisch als auch tragisch sein kann und beides so mühelos unter einen Hut bringt.“ SUN

„Ein fesselndes Debüt.“ MAIL ON SUNDAY

„Eine durch und durch faszinierende Lektüre.“ HEAT

„Dieses eigenwillige Debüt ist unterhaltsam und fesselnd.“ SUNDAY TIMES

Über den Autor

Chris Whitaker arbeitete zehn Jahre als Finanztrader, bevor er sein Leben änderte und sich dem Schreiben zuwandte. Seine Romane gewannen zahlreiche Preise, schon jetzt gilt Whitaker in England als Sensation. „Von hier bis zum Anfang“ wurde vom Guardian zum Buch des Jahres gekürt. Whitaker lebt zusammen mit seiner Ehefrau und drei Kindern.

Weitere Werke
Von hier bis zum Anfang

Bibliografische Angaben

ISBN: 978-3-492-07152-9
Verlag: Piper Verlag
Erscheinungsjahr: Juni 2022
Übersetzung: Wolfgang Müller
Seiten: 400, Hardcover

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Über ein.lesewesen 314 Artikel
Es kommt darauf an, einem Buch im richtigen Augenblick zu begegnen. Hans Derendinger

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