DREI TAGE IM SEPTEMBER – Die letzte Fahrt der Athenia 1939 – Cay Rademacher

Werbung, da Rezensionsexemplar, danke an den Dumont Verlag.

»Edith Lustig schlendert über das Promenadendeck des britischen Oceanliners und hat noch eine Minute zu leben.« S.7

So beginnt Rademachers Buch über den Untergang des Passagierschiffs Athenia, mit dem er ein authentisches Zeitzeugnis über den Beginn des 2. WKs geschaffen hat. Dabei bedient er sich vieler Einzelschicksale und Momentaufnahmen, die diese Tragödie lebendig werden lassen.

1102 Menschen wollen mit der Athenia am 1. September Europa in Richtung Kanada verlassen. Unter ihnen sind amerikanische Touristen, deutsche und österreichische Juden, Verfolgte des Naziregimes, Geschäftsleute, Wissenschaftler und zahlreiche Familien. Das Schiff ist gnadenlos überladen, da alle anderen Passagierschiffe zu Kriegszwecken eingezogen wurden. Nur zwei Tage später wird die Athenia von einem deutschen U-Boot torpediert. Es beginnt ein Kampf ums Überleben.

Rademacher schildert, wie sich die politischen Ereignisse in Europa überschlagen, um Hitlers Einmarsch in Polen zu verhindern. Er zeichnet die letzten Tage vor Kriegsausbruch nach, das Scheitern diplomatischen Bemühungen, sowie Hitlers Überfall auf den Radiosender Gleiwitz.

Im Hauptteil widmet sich der Autor den einzelnen Schicksalen auf der Athenia namentlich. Fast minütlich zeichnet er die Ereignisse vom 1.–4. September an Bord nach. Die panische Flucht auf die Rettungsboote, bei der Familien getrennt werden, die Aufopferung einzelner, die andere zu retten versuchen, aber auch den Egoismus einzelner, die ihrem Nebenmann noch das letzte Hemd entreißen.

Ebenso beschreibt er die bedrückenden Verhältnisse auf dem U-Boot U-30, das im Nordatlantik liegt und auf eindeutige Befehle wartet. Letztlich wird der Kapitän den fatalen Feuerbefehl geben, die zu der Tragödie führen soll.

Rademachers Recherche beruht auf zahlreichen Quellen wie zum Beispiel Journalisten, die mit Überlebenden gesprochen haben, Zeitungsmeldungen, Biografien oder der Dokumentation des Nürnberger Prozesses. Im Mittelteil befinden sich Originalaufnahmen der Athenia und einigen Passagieren.
Die Aufzeichnung der politischen Zuspitzung fand ich persönlich manchmal etwas trocken, um sehr mehr fesselten mich die persönlichen Schicksale, was den Hauptteil spannender machte als einen Krimi. Ich denke, alle Geschichtsinteressierten werden hier voll auf ihre Kosten kommen.

Ein paar Fakten:
• von der 315-köpfigen Besatzung überlebten 296
• 1009 der 1102 Passagiere wurden gerettet
• insgesamt forderte die Tragödie 112 Tote, 27 Männer, 69 Frauen und 16 Kinder

Klappentext

Sie war das letzte Schiff, das Europa im Frieden verließ und das erste, das im Zweiten Weltkrieg von einem deutschen U-Boot versenkt wurde: Auf der Athenia waren über tausend Passagiere auf dem Weg von Glasgow nach Montreal, darunter amerikanische Touristen, polnische und deutsche Juden, andere Verfolgte der Naziherrschaft und britische Geschäftsleute. Der Kommandant von U30 hielt das Schiff für einen Truppentransporter und schoss 118 Passagiere ertranken. In einer Reihe von Einzelszenen deckt Cay Rademacher erstaunliche Zusammenhänge der Tragödie auf: So befand sich die kleine Tochter des Filmregisseurs Ernst Lubitsch unter den Passagieren der Athenia. Um die amerikanischen Überlebenden zu betreuen, schickte der US-Botschafter in London seinen Sohn nach Glasgow: Sein Name ist John F. Kennedy . . . Es sind die zahlreichen präzise und lebendig geschilderten Details, die die Geschichte einer Katastrophe zum genauen Abbild einer Zeit und ihrer Atmosphäre werden lassen. In der Welt der Athenia fängt Cay Rademacher ein Spiegelbild Europas am Rande des Abgrunds ein und entfaltet ein spektakuläres Panorama der ersten Tage des Zweiten Weltkrieges.

Bibliografische Angaben

ISBN: 978-3-8321-6665-6
Verlag: Dumont Verlag
Erscheinungsjahr: 14. Februar 2023
Seiten: 320, Taschenbuch, mit zahlreichen Abbildungen

Über den Autor

CAY RADEMACHER, geboren 1965, ist freier Journalist und Autor.
Nachdem er Geschichte und Philosophie in Köln und Washington studierte, arbeitete er für viele Jahre als freier Journalist für Magazine und Zeitschriften wie GEO, Merian, Die Zeit oder das SZ-Magazin. Stößt er bei seinen Recherchen auf spannende geschichtliche Ereignisse, vertieft er sich in seine zweite Leidenschaft: das Schreiben von historischen Sachbüchern und Romanen. Cay Rademacher hat ein starkes Interesse für Geschichte und Kultur, sodass er außerdem Reiseführer über Köln, Washington oder Frankreich veröffentlichte. Mittlerweile hat es den Journalisten und Schriftsteller aus dem Norden Deutschlands in die Provence verschlagen, wo er nun gemeinsam mit seiner Familie bei Salon-de-Provence in einer alten Ölmühle wohnt.

Avatar-Foto
Über ein.lesewesen 272 Artikel
Es kommt darauf an, einem Buch im richtigen Augenblick zu begegnen. Hans Derendinger

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*