DAS GOTTESHAUS – C.J. Tudor

»Der größte Trick, den der Teufel je gebracht hat, war, die Welt glauben zu lassen, es gebe ihn nicht.«

Vielleicht eine Bemerkung vorweg. Wer bei Tudor einen reißerischen, spannungsgeladenen Thriller sucht, wird sicher enttäuscht sein. Wie auch in ihren anderen Büchern nimmt sie sich viel Zeit für die Entwicklung der Charaktere, lässt uns – scheinbar – an Alltäglichkeiten teilhaben, um ihre »Gruselpoints« gezielt zu platzieren.

Nach einem schrecklichen Ereignis in ihrer alten Gemeinde in Nottingham wird die Pfarrerin Jack Brooks von Bischof Durkin nach Chapel Croft strafversetzt.
Chapel Croft, ein Dorf irgendwo in Sussex, voller Geheimnisse und einer grausigen Vergangenheit. Vor 500 Jahre wurden 8 Märtyrer bei lebendigem Leibe verbrannt, vor 30 Jahren verschwanden 2 Mädchen spurlos und der letzte Pfarrer hat sich in der Kirche erhängt.
Jack und ihre Teenager-Tochter Flo schlägt pures Misstrauen entgegen von den Dorfbewohnern entgegen und sie erhalten Drohbotschaften – kleine Reisigpuppen. So haben sie sich ihrem Neubeginn nicht vorgestellt.
Jack ist so erfrischend anders, was wohl auch an ihrer Vergangenheit liegt, die die Autorin lange geschickt zu verbergen weiß. Manchmal cool und lässig, dann wieder direkt und gerade raus, wie man es eigentlich nicht von einer Pfarrerin erwartet. Tough wie sie ist, lässt sie sich nicht einschüchtern und macht sich damit nicht nur Freunde. Ihre Tochter Flo ist eher die Außenseiterin, die alte Gräber fotografiert und schnell zum Mobbingopfer wird. Da beide nicht mit ihren Nachforschungen aufhören können, kommen bald Geheimnisse ans Licht, die das gesamte Dorfgefüge ins Wanken bringen.

Man möchte meinen, dass heruntergekommene Kirchen in abgelegenen Dörfern samt einer mystischen Vergangenheit ein überstrapaziertes Motiv in der Literatur und auf der Leinwand sind. Aber kommt es nicht immer darauf an, wie es ausgearbeitet ist?

Tudor hat ein Händchen, wenn es um unheimliche Szenen und subtile Spannung geht. Auch in diesem Buch schafft sie es, eine schaurige Atmosphäre aufzubauen, denn der Schrecken könnte beim Umblättern auf der nächsten Seite lauern. Das verknüpft sie geschickt mit den Figuren, von denen ich gleich am Anfang das Gefühl hatte, da stimmt doch was nicht.
Gekonnt präsentiert sie uns eine Wendung nach der andere, setzt ihre Cliffhanger und deckt ihre Geheimnisse auf. Wie vielschichtig ihr Charaktere sind, offenbart sich erst nach und nach, etwas, das Tudor sehr gut beherrscht. Denn alle Enthüllungen über eine Figur werden sauber mit den Geheimnissen um das Dorf aufgedeckt, was für mich auch stimmig war.

Trotzdem hinkt das Buch etwas hinter den »Lieblingskind« und »Kreidemann« hinterher. Nein, mir hat nicht das Tempo gefehlt, aber in der zweiten Hälfte tummelten sich ein paar kleine Längen, die es nicht gebraucht hätte. Das tat der ohnehin niedrigen Spannungskurve dann einen Abbruch. Nicht gestört haben mich die verschiedenen Perspektiven, denn die wechseln von Jacks Ich-Perspektive in den personalen Erzähler.

Das Buch bekommt eine klare Empfehlung für alle, denen gute Charaktere wichtiger sind als gnadenlose Spannung.

Auch wenn C.J. Tudor gern als Englands Stephen King bezeichnet wird, würde ich dem nicht zustimmen, denn ihre Bücher sind eindeutig Thriller mit etwas Grusel aber keine Horrorromane.

Klappentext

Vor 500 Jahren: Acht Märtyrer wurden bei lebendigem Leib verbrannt. Vor 30 Jahren: Zwei Mädchen verschwanden für immer. Vor zwei Monaten: Ein Pfarrer hat sich in der Kapelle erhängt. Willkommen in Chapel Croft.

Für die Pfarrerin Jack Brooks und ihre Tochter Flo sollte es ein Neustart sein: neuer Job, neues Zuhause. Aber Jack stößt auf eine eingeschworene Dorfgemeinschaft, in der Misstrauen gegenüber Fremden tief verwurzelt ist. Schon bald muss sie sich fragen: Wer schickt ihnen düstere Drohbotschaften? Und warum hat Flo Visionen von brennenden Mädchen? Chapel Crofts Geheimnisse liegen verborgen in einem dunklen Grab, aber nun kehren die alten Gespenster zurück – und sie werden keinen Frieden finden, bis sie nicht Vergeltung geübt haben …

Bibliografische Angaben

ISBN: 978-3-442-20629-2
Verlag: Goldmann Verlag bei Penguin Random House Verlagsgruppe
Erscheinungsjahr: Juni 2022
Übersetzung: Marcus Ingendaay
Seiten: 560, Paperback

Über die Autorin

C.J. Tudor wuchs in Nottingham auf, wo sie auch heute mit ihrem Lebensgefährten und ihrer Tochter lebt. Ihr erster Thriller »Der Kreidemann« sorgte international für Furore und wurde in 40 Länder verkauft. Auch ihre nachfolgenden Thriller, alle im Goldmann Verlag erschienen, waren große SPIEGEL-Bestsellererfolge.

Weitere Werke

Der Kreidemann
Lieblingskind
Schneewittchen schläft

Avatar-Foto
Über ein.lesewesen 311 Artikel
Es kommt darauf an, einem Buch im richtigen Augenblick zu begegnen. Hans Derendinger

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*